Kultur Retten – Gema anketten


Rede auf der Münchener GEMA Demo, 6.9.2012

Wann verkehrt sich eine gerechte Idee ins Gegenteil?
Als im Jahre 1903 die GEMA als Idee von den Komponisten Schumann und Strauss erdacht wurde, war ihre Intention ehrenwert. Komponisten und Textdichter sollen an der Nutzung ihrer Werke verdienen.
Heute kennt die lückenlose Auswertung sämtlicher Nutzungsarten bei der GEMA keine Grenzen. Es fallen für alles und überall Gema-Gebühren an.
Im Rundfunk, Fernsehen, bei der Herstellung von CDs, bei iTunes, bei Konzerten, im Kino und in der Sexkabine, für jeden USB-Stick, Smartphone, Computer, Drucker, Scanner, in Diskotheken und auf Stadtfesten, im Kindergarten und im Altersheim, auf Hochzeiten und Beerdigungen – Von der Geburt bis zum Tod kassiert die GEMA überall.
Wenn man das Wachstum der GEMA-Umsätze betrachtet, geht es der Musikindustrie super. 2000 waren es 800 Millionen und jetzt sind es bereits 860 Millionen pro Jahr.

Und natürlich brauchen Musiker und Komponisten eine funktionierende Verwertungsgesellschaften die zukunftsfähig ist.
Gerade in Zeiten, in denen klassische Tonträger verschwinden und Musik immer häufiger nur noch gestreamt wird.
Doch leider ist die GEMA von heute ein monopolistischer Dinosaurier mit totalitären Strukturen. Die GEMA produziert sowohl vorne wie hinten Ungerechtigkeit.
Und zwar bei jenen, die für die Nutzung von Musik bezahlen, als auch bei denen die für ihre Musik eine gerechte Entlohnung erwarten.
Ich möchte diese Ungerechtigkeiten kurz illustrieren. Die GEMA behauptet ja gerne, ihre Mitglieder würden über alles bestimmen. Das ist eine wohldosierte Lüge. Die 64 Tsd. GEMA-Mitglieder sind allesamt Kulturschaffende, doch dürfen nur 5 Prozent, die sogenannten ordentlichen Mitglieder, bestimmen wie eingenommene Gelder verteilt werden, oder die GEMA reformiert wird.
Diese 5 Prozent sind jene Mitglieder, die mindestens jedes Jahr 6000.- € über die GEMA verdienen. Die 60Tsd anderen GEMA-Mitglieder, die für den größten Teil aller musikalischen Schöpfungen sorgen, sind dagegen rechtlose Mitglieder. Sie dürfen weder über die Verteilung noch über die Struktur dem GEMA bestimmen.
Und da sie rechtlos sind, können sie nur unter größter Anstrengung jene 6000.- € jährlich überschreiten, um endlich für Gerechtigkeit zu sorgen, denn die Umverteilung von unten nach oben hat bei der GEMA System.

Als Beispiel möchte ich Euch vorstellen, wie das in den letzten Jahrzehnten im Konzertbereich lief:
Eine Band, die ihre eigene Songs spielt und im Rahmen einer selbst organisierten Tour 20 Konzerte in Deutschland spielt, bezahlt selbst im Schnitt 350.- € je Konzert. Von den 7000.- €, die sie selbst an die GEMA abführen muss, bekommt sie im Schnitt eine zweistellige Summe zurück. Der Rest geht in die Töpfe der ordentlichen Mitglieder. Um über Konzerte 6000.- € jährliche Einnahmen zu generieren, um als ordentliches Mitglied dann mitzubestimmen, müsste diese Band jeden Tag im Jahr 2-3 mal auftreten.
Sehen wir uns den Diskothekenbereich an: In den 7000 Diskotheken sind es gerade mal 100 Blackboxen, die je Woche eine Stunde Musik aufzeichnen. Diese Blackboxen werden ausgewertet und dann alle Gebühren, die die GEMA bei den Diskotheken eingesammelt hat an die Mitglieder ausgeschüttet, die in den Aufzeichnungen der Blackboxen dokumentiert wurden. Wenn wir davon ausgehen, dass die normale Disko 3 Tage in der Woche jeweils 8 Stunden geöffnet hat, wäre diese Stichprobe der Blackboxen gerade mal ein halbes Prozent aller gespielter Titel.
Dass bei so einem System wiederum nur die ordentlichen Mitglieder verdienen, liegt auf der Hand, denn unsere kleine Independentband wird wahrscheinlich durch dieses Raster fallen und dann auch nichts für ihre gespielte Musik erhalten.

Noch schlimmer ist die GEMA-Vermutung. Gerade in vielen alternativen Szenen wie Techno, Independent, Gothic oder Metal sind Musiker immer häufiger keine GEMA-Mitglieder. Trotzdem kassiert die GEMA die vollen Beträge. Nur wenn ein DJ für jedes Stück, das er auflegt, den Namen des Komponisten mit Adresse nachweist, muss er nicht bezahlen.
Sollte ein Name doppelt vorkommen, so behauptet die GEMA, dass es sich um ihr Mitglied handelt und kassiert.
Sollte ein Musiker ein Pseudonym verwenden – und das tun fast alle Musiker – so behauptet die GEMA, hinter diesem Pseudonym würde sich ein GEMA-Mitglied verstecken und kassiert. Wer sich dagegen wehrt, wird von der GEMA verklagt und verliert, wie zuletzt im Prozess der GEMA gegen die Musikpiraten.
Darüber hinaus erhalten die sogenannten Standardwerke, also Gassenhauer von Erfolgproduzenten wie Dieter Bohlen und Ralph Siegel zusätzliche Multiplikationspunkte.
Diese Multiplikationspunkte sorgen dafür, dass der Großteil der Erlöse, der den kleineren Urhebern und Bands zustehen würde, an die ordentlichen Mitglieder umverteilt wird.
Dieses Verteilungssystem der Ungerechtigkeit sorgte in den letzten zwei Jahrzehnten dafür, dass die meisten Einnahmen aus Nischendiskos, von Festivals und Stadtfesten aber auch von Leermedien wie CDRs, Festplatten, USB-Sticks und Handys direkt an die Inhaber der Rechte dieser Standardwerke fließt. So etwas nenne ich Raubtierkapitalismus.

Nun kommen wir zur anderen Seite der GEMA Gerechtigkeit: Als die GEMA ihre Tarifreform für Diskotheken, Stadtfeste, Vereine und Musikkneipen vorstellte, sprach sie von Tariflinearisierung. Niemand hätte sich gegen eine moderate Erhöhung dieses Tarifs ausgesprochen, denn den meisten Veranstaltern ist bewusst, dass diejenigen, die die Musik schreiben, beteiligt werden müssen.
Und auch die Musiker schätzen die Clubszene. Wo sonst können Bands ohne große Marketingbudgets ihren ersten Hit landen, wenn nicht in Clubs und Diskotheken?
Es ist ein Geben und ein Nehmen. Doch die Tarifreform der GEMA hat es in sich. Durch eine neue Berechnung der Nutzungsfläche, die sogar jeden nicht genutzten Quadratzentimeter eines Clubs einbezieht, entstehen saftige Grundtarife. Auf diesen Tarifen werden dann Zeitzuschläge, GVL-Zuschläge und Vervielfältigungszuschläge aufgerechnet. Der Vervielfältigungszuschlag von 30 Prozent fällt übrigens dafür an, dass ein DJ statt CDs ein Notebook zum Auflegen benutzt. Die Musik auf der Festplatte könnte ja nichtlizensierten Ursprungs sein.
Die so entstehenden Tarifmonster überschreiten die bisherigen Budgets der Clubs um das 10 bis 15 fache. Ein normaler Club kann sich das nicht mehr leisten. Kultur wird sterben. Vielfalt wird gleichgeschaltet.

Die GEMA behauptet, sie wolle nur 10 Prozent der Einnahmen, unterschlägt dabei aber, dass diese Rechnung nur bei einem ausverkauften Clubevent funktionieren würde.
Die GEMA behauptet, die Clubs könnten jetzt die Einigung, die als Alibi mit dem Verband des deutschen Karnevals geschlossen wurde, für sich nutzen und müssten so nur eine 25 Prozent Steigerung im Jahr verkraften. Diese stufenweise Einführung gilt aber nur für Veranstaltungen, deren Eintritt über 10 € kostet. Die normale Disko hat davon gar nichts.
Nirgendwo klafft der Anspruch einer de facto Künstlergewerkschaft und Realität des Feudalismus mehr auseinander als bei der GEMA. Die GEMA als Verein wird durch ihre Legitimation aus dem Grundgesetz und dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz mit monopolistischer Allmacht ausgestattet.
Das produziert nicht nur Ungerechtigkeit in nie gekannter Intransparenz. Es schützt die inneren Interessengruppen vor dringenden Reformen während Kritik von Außen mit teuren Werbekampagnen anstatt mit Fakten beantwortet wird.

Ihre Verwaltung lässt sich die GEMA übrigens gut bezahlen, denn 15 Prozent der eingesammelten Beträge – das waren im Jahr 2011 120 Millionen Euro – werden großzügig auf Altersversorgung, Sozial- und Rentenfonds, Vorstandsbezüge und repräsentative Infrastruktur verteilt.
Die Verteilung für soziale Härtefälle und Kulturförderung ist nicht nachvollziehbar.
So stellt sich die Frage nach der grundlegenden Reformfähigkeit der GEMA.
Neben den vielen vereinsrechtlichen Fragen zur Verteilungsgerechtigkeit und der Forderung nach einem jährlichen Transparenzreport, gilt es neben den kaum nachvollziehbaren Tarif- und Verteilschlüsseln auch die Harmonisierung innerhalb Europas voranzutreiben.
Vielleicht hilft dabei auch ein Wettbewerb unter Verwertungsgesellschaften. Viel versprechende Neugründungen wie die C3S, die sich der Creative Commons Lizenzen annehmen möchte, sind ein Hoffnungsschimmer am Horizont.

Wer an die große Chance einer Reform nicht glaubt, der sei im Widerhall der ACTA Demos erinnert. Alle Monopole wurden im Zuge technologischer und gesellschaftlicher Entwicklungen hinterfragt. Manchmal auch mit der Kraft des Gesetzes zerschlagen.
Wer hätte sich in den 1970ern vorstellen können, dass eines Tages das Post- und Telekommunikationsmonopol fallen würde?

Alle musikalischen Urheber, ob GEMA-Mitglied oder nicht, und alle Musikfans müssen ihre Stimme im Streit um Verteilungsgerechtigkeit, Transparenz und faire Tarifreform zu Gehör bringen.

3 thoughts on “Kultur Retten – Gema anketten

  1. Pingback: Warum ich die Absicht kundtue, mich einer Verwertungsgesellschaft anzuschließen – ryuus Hort

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