TTIP Newsletter 18.1.2014

ttipnewsletter
Ich werde jetzt zweiwöchentlich ein Update zu TTIP veröffentlichen. Hier die erste Ausgabe. Eigentlich wollte ich einfach die Ereignisse der letzten Woche zusammenfassen. Aber dann ist mir der Beitrag doch unerwartet aktuell geraten, weil am Freitagnachmittag schon wieder ein neues Leak spannende Informationen aus den sonst von der Öffentlichkeit abgeschotteten Verhandlungsräumen ans Tageslicht spülte. Aber lasst uns am Anfang beginnen.

Lesebefehl
Topaktuell: Soeben erschien diese interessante Broschüre: The Transatlantic Colossus mit neuesten Hintergrundinfos von NGOs und Stakeholdern der Zivilgesellschaft.

TTIP – wie TAFTA jetzt genannt wird, weil der ursprüngliche Name zumindest in den USA zu viele ungute Assoziationen mit dem sehr negativ wahrgenommenen Handelsabkommen NAFTA aufwarf – war in der letzten Woche häufiger Gegenstand von Medienberichten. Viele zivilgesellschaftliche Organisationen unterstrichen und untermauerten jene Kritikpunkte des Freihandelsabkommen, die wir bereits in den letzten Wochen thematisiert hatten:

EU Komissare und TTIP Clacqueure

Besonders kritisch sollten wir die Aussagen zweier prominenter Protagonisten und strenger Befürworter von TTIP bewerten: Die von EU Kommissar Karel de Gucht und die von CDU MEP Daniel Caspary.

In einem aktuellen Interview mit der Printausgabe der Süddeutschen Zeitung [18] sieht de Gucht keine Verbindung zwischen der NSA Spähaffäre und den Verhahttps://sgonlineredaktion.piratenpad.de/70?ndlungen. Er sagt, »niemand könne seine Gedanken lesen, daher sei der Datenschutz gewährleistet.« So kann man »wir halten die Verhandlungen sorgfältig geheim« auch ausdrücken – Demokratie geht anders.

De Gucht behauptet in diesem Interview weiter, dass sich nichts für deutsche Märkte verändern würde. Wenige Zeilen weiter erläutert er aber, dass Verhandlungsziele wie die vereinfachte und verkürzte Prüfung für europäische Medikamente in den USA im Austausch gegenüber Forderungen der US Wirtschaft verhandelt werden. Und andersrum soll das nicht laufen? Für wie dämlich hält De Gucht die Leser eigentlich?

Sein Kollege Caspary, handelspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion und Kenner der internen Verhandlungspapiere, präsentierte in einer Gesprächsrunde des DLF zu TTIP [1] seine demokratische Vorstellung von Transparenz mit einem denkbar unpassenden Vergleich. »Wenn ich eine Treppe in meinem Einfamilienhaus baue, setze ich ja auch auf Verschwiegenheit, damit der Bauunternehmer nicht mitbekommt was ich maximal zu zahlen gewillt wäre.« Mit dem Bauunternehmer meint er die USA. Aber gleichzeitig grenzt er damit auch 500 Millionen Europäer von der Beteiligung an der Frage aus, wie der Freihandel mit den USA gestaltet werden soll. Und er reduziert die hochkomplexen und weltweiten Auswirkungen von TTIP auf ein rein wirtschaftliches Pokerspiel – ein Pokerspiel um unsere Zukunft.

Geistiges Eigentum

Nach diesem unerfreulichen Intro komme ich zum tagesaktuellen Leak:

Details zu einem Meeting zwischen Kommissionsmitgliedern – allen voran Unterhändler Pedro Velasco Martins – und Vertretern der Contentindustrie wie Warner und Disney in der Handelskammervertretung der Vereinigten Staaten von Amerika werfen Licht auf die verdeckten Forderungen der Branche an das Freihandelsabkommen. [8]

Was steht in diesem – etwas unübersichtlichen – Dokument?

Das klassische Dreigestirn aus Urheberrecht, Patenten und Markenschutz, das wir bereits aus dem auf Druck der Öffentlichkeit gescheiterten ACTA kennen, soll ganz offenbar noch erneut und diesmal sogar vertieft angegangen werden. Die Verhandlungsführer sind sichtlich erfreut, dass Aktivisten und NGOs ihre Aufmerksamkeit zur Zeit eher auf die Schiedsrichter zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen »Investoren« und Staaten richten. Wir erinnern uns: Das waren die keiner demokratischen Kontrolle unterworfenen Tribunale… ach, das habt Ihr vorgestern im Artikel zur »WIR haben es satt«-Demo gelesen. [15]

Die NGOs kümmern sich also gerade um diese Ungeheuerlichkeit, und sind so abgelenkt von dem, was an der Urheberrechtsfront gerade ausgekungelt wird. Aber das zivilgesellschaftliche Engagement für die Interessen der Nutzerinnen und Nutzer kann natürlich – wie damals bei ACTA – die Verhandlungen jederzeit in Gefahr und schließlich zum Scheitern bringen.

Deswegen fürchten sich die Verhandlungsführer, die sich in dieser Frage eigentümlich einig sind, bereits jetzt vor den ersten Leaks [16]. Ähnlich wie beim Marketingkonzept für TTIP/TAFTA als Ganzes [11] legen sie sich daher bereits jetzt eine Promotion-Strategie zurecht: Durch breite Streuung von einseitig pro-Contentindustrie ausgerichteten Studien soll jeder Arbeitsplatz, der auch nur im entferntesten von »geistigen Eigentumsrechten« berührt wird als »at the stake« dargestellt werden – angeblich sollen all diese Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Was für ein Käse.

Datenschutz und digitale Privatsphäre sollen so lange wie möglich aus den Verhandlungen herausgehalten werden. Damit soll vor allem die Durchsetzung von Nutzungs- und Verwertungsrechten zementiert werden. Die Forderungen der nordamerikanischen Contentindustrie wurden ja bereits hinlänglich ausgebreitet [9] und sind auch in Regierungskreisen salonfähig geworden: Mit Mitteln, die sonst nur das organisierte Verbrechen oder sie NSA einsetzt, sollen die Nutzer ausgeforscht werden, dass sie auch wirklich kein illegal runtergeladenes Musikschnipselchen auf der Festplatte haben. Auf der Wunschliste stehen Rootkits, Malware und Trojaner, die nicht nur den Datenstrom der Verbraucher durchsuchen, sondern auch gleich noch die gewünschten Sperrungen vornehmen können.

Auch in Deutschland hat der Bundesverband der Musikindustrie bereits – allerdings weniger offensichtlich und detailreich – ähnliche Forderungen an die Große Koalition gerichtet und wirbt mit dem Vorsitzenden Dieter Gorny um die Einführung einer Straßenverkehrsordnung für das Internet. [10]

Daseinsfürsorge

Die Zeitung für kommunale Wirtschaft warnt vor der Enteignung der öffentlichen Hand im Bereich der Daseinsfürsorge, wenn die »Förderung des gegenseitigen Marktzuganges« die Wasser- und Abwasserwirtschaft betrifft.

Ebenso warnen Vertreter des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU), dass TTIP die kommunale Selbstverwaltung bedroht. Bei rein kommunaler Auftragsvergabe könnte Schadensersatz bei den von TTIP eingerichteten Schiedsgerichten (ISDS / Investor-State-Dispute-Settlement) eingeklagt werden.

Der erleichterte Handel mit Pestiziden gefährde darüber hinaus unsere Gewässer und ihre hohen Standards.

Landwirtschaft

Darüber haben wir vor zwei Tagen im Zusammenhang mit der Demonstration “WIR haben es satt” bereits ausführlich berichtet [15].

Arbeitnehmerrechte

Bereits vor einigen Wochen hatte Wikileaks die Strategie der europäischen Kommission geleakt [11], TTIP als Job- und Wirtschaftswunder für Deutschland darzustellen und diese Hoffnung gezielt in die Massenmedien zu tragen.

Verschiedene Arbeitnehmerverbände warnen jedoch mittlerweile offen vor TTIP, denn die USA haben einen Großteil der acht Kernnormen der internationalen Arbeitsorganisation ILO nicht ratifiziert. [4] Darunter fallen z.B. viele Gewerkschaftsrechte, gleicher Lohn für gleiche Arbeit von Mann und Frau, das Mindestalter für den Eintritt in ein Arbeitsverhältnis, das Verbot von Zwangsarbeit von Häftlingen für Unternehmen und das generelle Verbot von Diskriminierung wegen Hautfarbe, Geschlecht, politischer Meinung und Religion in der Arbeitswelt. Dass all dies bei uns selbstverständlich ist, könnte zukünftig als »Handelshemmnis« eingestuft werden und die europäischen Länder könnten dafür vor eines dieser nicht demokratisch legitimierten Tribunale gezerrt werden.

Alibi Advisory Kommittee

Im Dezember wurde vollmundig das Advisory Kommittee vorgestellt, das zivilgesellschaftlichen Organisationen den Zugang zu den Verhandlungen ermöglichen sollte.

Für die Verhandlungsführer kein Problem – denn sie definierten kurzerhand das Wort »Zivilgesellschaft« für die eigenen Zwecke um: Es stellte sich heraus, das nur jede fünfte der als »zivilgesellschaftliche Organisationen« gelisteten Gruppen auch wirklich eine war. Der Rest, also 80%, waren Vertreter großer Wirtschaftskonsortien – also schlicht noch mehr Lobbyisten. [3] Wir wollten es zuerst nicht glauben, aber selbst die »Confederation of European Community Cigarette Manufacturers« schaffte es auf die Liste der NGOs.

In den USA

In den USA macht sich langsam Wiederstand breit, der unter dem Namensgleichnis »TAFTA = NAFTA« auftritt. Denn NAFTA, das Freihandelsabkommen zwischen Nord- und Südamerika, hat sich in Nordamerika bereits einen fragwürdigen Ruf erarbeitet. Kein Wunder, denn es hat zu einer Erosion der Grundrechte gegenüber den Konzerninteressen geführt.

Nordamerikanische Anti-TAFTA-Aktivisten sind alarmiert, denn die agressive Wirtschaft in den USA versucht gemeinsam mit dem Weissen Haus das sogenannte »Fast-Track Verfahren« durchzusetzen, damit die Verhandlungen zu TTIP im Wesentlichen ohne die Beteiligung des US-Kongresses stattfinden können. Die sonst bei Gesetzesvorlagen übliche abschließende Verhandlung zwischen Kongress und Senat wird dadurch ausgesetzt und es kann dort nur noch abgestimmt werden – wie bei dem damals im Europäischen Parlament bei ACTA gescheiterten Anlauf. [12]

Darüber hinaus hat das Atlantic Council einen starken Fürsprecher in den USA gefunden. Dort wird das Freihandelsabkommen als eine starke »Handels-NATO« [13] im (Wirtschafts-) Kampf gegen Russland und China promoted. Die Bertelsmann Stiftung wirbt mit einer Hochglanzbroschüre für TTIP [5] in »den 50 Staaten« und liefert dazu eine zwar fiktive, aber dafür schön bunte Datenvisualisierung mit dem angeblichen Wachstumspotential für die einzelnen Bundesstaaten.

Datenschutz

Hinsichtlich der neuen Leaks wie z.B. die SMS Spionage [17] in nicht gekanntem Ausmaß und der gänzlichen Absage zu einem Stop der Spionage – der durch die halbherzigen und relativierenden Aussagen zur NSA-Affäre von Barack Obama am Freitag abend noch einmal bestätigt wurde – ist die Strategie der Handelskommissarin Reding höchst befremdlich: Sie und ihr Kollege de Gucht fordern, den Datenschutz aus dem Abkommen auszuklammern.

Ihre Begründung könnte nicht widersinniger sein: »Handel hat nichts mit Datenschutz zu tun«. Neuland eben. In Wahrheit sind natürlich der komplette Warenverkehr, alle wirtschaftlichen Abläufe und der Schutz von technologischen Entwicklungen und Betriebsgeheimnissen wesentlich von vertraulichen Datenströmen diesseits und jenseits des Atlantik abhängig. Ein Abkommen kann deshalb nur unter einem klaren Bekenntnis zur europäischen Datenschutzgrundverordnung und schmerzhaften Saktionen bei Zuwiderhandlung unterzeichnet werden. Alles andere ist informationeller Selbstmord für Wirtschaft, Zivilgesellschaft und die demokratische Hegemonie. Aber wenn wir nicht massiv eingeifen, dann wird das Bekenntns wohl kaum mehr als ein Lippenbekenntnis werden.

Übrigens: die TTIP Chefunterhändler Ignacio Garcia und sein nordamerikanischer Kollege Dan Mullaney hatten gerade erst die Informations- und Kommunikationsindustrie auf die Agenda der wichtigen Verhandlungsfelder neben Fahrzeuge, Pharma, Textilien, Chemikalien gesetzt. Hat natürlich mit Datenschutz nicht im Entferntesten etwas zu tun.

Die Piraten stehen für mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz in Politik und Verwaltung, ein Urheberrecht für die Urheber und die Nutzenden, wirksamen Datenschutz und dezentrale Versorgungsstrukturen. Da TTIP nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand all dies in Frage stellt, haben sie sich Anfang des Jahres auf ihrem Parteitag in Bochum dem Positionspapier »TTIP nein danke – transatlantische Partnerschaft geht anders« [14] angeschlossen und es in ihr Wahlprogramm zur Europawahl aufgenommen.

[1] http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2014/01/15/dlf_20140115_1915_1512e734.mp3
[3] http://www.techdirt.com/articles/20140115/03324325881/eu-commission-redefines-corporate-lobbyists-as-civil-society-to-pretend-to-be-transparent-taftattip.shtml
[4] http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/140115_ttip-aufruf7_layout.pdf
[5] https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/245085/TTIP_and_the_50_States_GovUK.pdf – TTIP and the Fifty States: Jobs and Growth from Coast to Coast
[6] https://www.bertelsmann-stiftung-brussels.eu/panel_debate_ttip/
Link führt lediglich zu einer LogIn-Seite
[7] http://taftattipwatch.tumblr.com/
[8] http://icg.greens-efa.org/pipermail/hub/2013-December/000083.html
[9] http://boingboing.net/2013/05/26/us-entertainment-industry-to-c.html
[10] http://www.musikindustrie.de/presse_aktuell_einzel/back/82/news/grosse-koalition/
[11] https://netzpolitik.org/2013/ttip-pr-strategie-der-eu-kommission-geleakt/
[12] http://rt.com/usa/tpp-obama-legislation-trade-395/
[13] http://www.atlanticcouncil.org/blogs/new-atlanticist/natos-rasmussen-urges-striking-new-transatlantic-deal
[14] http://wiki.piratenpartei.de/Europawahl_2014/Wahlprogramm#.E2.80.9ETTIP.E2.80.9C_NEIN_DANKE.21_-_TRANSATLANTISCHE_PARTNERSCHAFT_GEHT_ANDERS
[15] http://www.piratenpartei.de/2014/01/16/wir-haben-es-satt-wir-auch/
[17] http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/programm-dishfire-nsa-spaeht-taeglich-fast-200-millionen-sms-aus-12755726.html
[18] http://www.sueddeutsche.de/news/service/handel-de-gucht-gespraeche-ueber-freihandelsabkommen-nicht-abbrechen-1625043

Aufruf zum Crowdsourcing: Urheberrecht neu machen!

euurhr

Kurzversion:
Ihr habt die einmalige Chance die weitere Ausgestaltung des Urheberrechts auf EU Ebene zu beeinflussen. Darunter fallen die einfachsten Aktionen im Netz, die in Zukunft noch stärker reglementiert werden könnten. Beispiele:
– YouTube-Videos sind in meinem Land nicht abspielbar
– Verwirrung über die Legalität beim Teilen von Bildern auf Facebook, Tumblr, etc
– Medien konnten aufgrund von DRM nicht frei verwendet werden, weniger Freiheiten als in der analogen Welt
– Diverse Medien sind in meinem Land nicht zu kaufen oder eine Website, die ich verwenden wollte, war in meinem EU-Land nicht verfügbar
– Ich habe mich aus Angst vor Repressionen nicht getraut, einen Remix zu erstellen – Unsicherheiten bezüglich der Legalität beim Erstellen von Untertiteln, Übersetzungen, Umwandlungen, etc. von Medien
– Meine Fangeschichten oder Fan-Kunst könnten illegal sein
– Ich betreibe einen Webservice und bin mit Abmahnungen und Beschwerden konfrontiert worden
– Bei Reisen in einen anderen Mitgliedsstaat herrscht Unklarheit über die Unterschiede zu eigenen Urheberrechtsgesetzen
– Ich habe die Erfahrung gemacht, dass bei der Durchsetzung von Urheberrechten die Interessen von Rechteinhabern denen von Bürgern übergeordnet sind
– Verwirrung über die Legalität beim Teilen von Links auf Inhalte, die unter dem Schutz vom Urheberrecht stehen

Der digitale Wandel darf nicht durch ein Urheberrecht des letzten Jahrhunderts aufgehalten werden. Je häufiger Menschen durch Abmahnungen, Warnmodelle, Netzsperren und die Verletzung ihrer digitalen Privatsphäre verunsichert werden, umso sicherer verpassen wir den Sprung in die Wissensgesellschaft. Digitaler Analphabetismus und mangelnde Medienkompetenz sind gerade in Deutschland immer häufiger anzutreffen.

Macht bitte mit!
http://youcan.fixcopyright.eu/30c3/de/


Langversion:

Das europäische Urheberrecht ist ein Flickenteppich. Jetzt soll die Vielzahl der nationalen Urheberrechte aneinander angeglichen werden – ›überarbeitet und modernisiert‹. Wie genau diese ›Modernisierung‹ aussehen soll, wird gerade diskutiert. Wir können sicher sein, dass Content-Industrie und Rechteverwerter hinter den Kulissen schon auf Hochtouren arbeiten, damit das Ergebnis nach ihren Wünschen ausfällt. Aber die Europäische Kommission will auch andere Stimmen zu Wort kommen lassen.

Noch bis zum 05.02.2014 können sich Unternehmen, Verbände, Nicht-Regierungsorganisationen, aber auch Einzelpersonen an einer Umfrage beteiligen. Die Kommission verspricht, die Ergebnisse der Umfrage bei der Erarbeitung ihrer Vorlage zur Urheberrechtsmodernisierung zu berücksichtigen.
Der Fragenkatalog liegt leider nur in Englisch vor. Dadurch wird Beteiligung für Bürgerinnen und Bürger unnötig erschwert, aber Lobbygruppen, Verbände und Verlage mit ihren ungleich größeren Ressourcen stört das natürlich wenig und sie werden sich beteiligen.

Lasst uns einen deutlichen Kontrapunkt gegen die Sicht der Verwerter-Interessen setzen!
Im Rahmen der Umfrage können wir Piraten uns für einen offenen Umgang mit Informationen, Wissen und Kultur im Netz einsetzen – auf Augenhöhe mit Unternehmen und Interessensverbänden. Damit haben wir eine einmalige Möglichkeit, unsere Vorstellung davon, wie das Urheberrecht reformiert werden soll, unüberhörbar in die Diskussion einzubringen: nämlich im Sinne der Allgemeinheit und der Kulturschaffenden selbst und nicht im Sinne der Rechteverwerter und Inhaber von Nutzungsrechten.
Viele von uns machen Musik oder Videos, bloggen oder engagieren sich in anderen kreativen Projekten, die vom Urheberrecht in seiner jetzigen Form eingeschränkt werden. Gebt der Europäischen Kommission Einblicke in die vielfältige Welt kreativer und innovativer Projekte außerhalb des Denkraums von Großunternehmen.

Wir machen mit!

Die Umfrage enthält zwar stolze 80 Fragen, aber die müsst ihr nicht alle bearbeiten. Fleißige Piratinnen und Piraten haben die Unterlagen durchgearbeitet und den folgenden Leitfaden zusammengestellt. Er gibt euch einen Überblick, welche Fragen aus Sicht der Piraten besonders wichtig sind und gibt Hinweise zu möglichen Antworten.
Wenn möglichst viele von uns an der Umfrage teilnehmen, zeigen wir der Kommission auch, dass ein großes öffentliches Interesse besteht. Wir freuen uns, wenn der Leitfaden dabei hilft. Aber wir wissen auch: Die eingehenden Antworten werden aufmerksam gelesen. Einfach zusammenkopierte Antworten fallen dabei auf (S.3) und solche Antworten werden kaum als vollwertig angesehen. Nur durch eine eigenständige Antwort macht ihr wirklich klar, dass ihr ein ehrliches Anliegen habt. Deswegen ist es hilfreicher für unsere gemeinsame Sache, wenn ihr fünf Fragen individuell beantwortet, als wenn ihr die Antworten aller 80 Fragen von irgendwoher kopiert.

Und jetzt der Leitfaden

Ladet euch eine der Vorlagen von dieser Seite herunter. Viele Piraten werden hier das Open-Document-Format bevorzugen. Aber Vorsicht: In dieser Version hat die Nummerierung ab Frage 64 einen Fehler. Einmal, ein einziges Mal, müssen wir euch daher die Benutzung des MS-Word-Formats empfehlen. Die folgenden Hinweise gehen auf den Leitfaden von Amelia Andersdotter zurück.

Ja zur Urheberrechtsreform
Fragen 4, 7, 78 und 79
Ja, wir wollen eine Urheberrechtsreform und ja, die Reform soll europaweit einheitlich sein. So schaffen wir Rechtssicherheit. Aber es darf nicht nach den Regeln der traditionell übermächtigen Content-Industrie geschehen, sondern im Sinne der Allgemeinheit und der Kulturschaffenden. Mit copyrightcode.eu gibt es auch ein gutes Beispiel dafür, wie ein solches Modell aussehen könnte. In Frage 4 könnt ihr außerdem anmerken, dass Urheberrechtsharmonisierung durch eine rechtliche Reform das beste Mittel ist, um Inhalte in ganz Europa verfügbar zu machen.

Filesharing
Fragen 22-26 und 80
Ja, wir sind für die Legalisierung von Filesharing. Wir wollen Kultur im Internet teilen und nichtgewerbliche Kopien erlauben (Fragen 22-26) – und das ist mehr als nur das Recht auf Privatkopie. Zusätzlich könnt ihr in Frage 80 Kommentare zum rechtlich einwandfreien Betreiben eines Torrent-Trackers abgeben.

Keine Einschränkung für Verlinkung und Caching
Fragen 11 und 12
Das Verlinken fremder Inhalte – das ›Web‹ in ›World Wide Web‹ – ist das Kernstück von dem, was wir unter ›Internet‹ verstehen. Und Caching im Browser ist eine Technologie, die flüssiges Surfen im Netz erst ermöglicht. Daher beantworten die Piraten die Fragen 11 und 12 mit einem klaren ›Nein‹: Verlinkung und Caching dürfen nicht durch Urheberrecht eingeschränkt werden – sonst geht das Internet kaputt.

Digitale Rechteverwaltung (DRM)
Fragen 13, 32(b), 36(b) und 80
DRM darf die gesetzlich verankerten Rechte der Nutzerinnen und Nutzer von Kulturgütern nicht einschränken und rechtlich garantierte Ausnahmen und Urheberrechtsschranken nicht konterkarieren. Die Piraten wollen, dass der Gesetzgeber über die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer entscheidet – und nicht Unternehmen. In den Fragen 32(b) und 36(b) geht es um DRM bei Datenbanken von Bibliotheken und Zugang in Universitäten. Und in Frage 13 könnt ihr DRM als Hindernis beim Weiterverkauf digitaler Güter erwähnen. Dieser Aufsatz könnte euch interessante Anregungen für eine ausführlichere Betrachtung im Rahmen von Frage 80 geben.

Schutzfristen
Frage 20
Wenn ihr für kürzere Schutzfristen seid, dann beantwortet Frage 20. Vorschläge im Sinne der Piraten reichen von 25 Jahren (Rick Falkvinge und Christian Engström), über 15 Jahre (Rufus Pollock) bis zu den 5 bis 10 Jahren, die die tschechischen Piraten fordern.

Registrierungsanforderungen
Fragen 15-18
In vielen Ländern der Welt musste man Werke früher bei einer zentralen Registrierungsstelle registrieren, um vollen Urheberrechtsschutz bei der kommerziellen Verwertung zu genießen. So war für alle Beteiligten klar, wer welche Rechte auf genau was hatte. Werden Urheberrechte ohne eine solche Anmeldung – also sozusagen ›automatisch‹ – gewährt, kann es sehr schwierig werden, im konkreten Fall herauszufinden, wer welche Rechte an einem Werk hat. Das birgt eine Fülle von Problemen. Daher sollte eine verpflichtende Registrierung des urheberrechtlich zu schützenden Werkes eingeführt werden.

Urheberrechtsbeschränkungen und -ausnahmen
Fragen 21, 22
Beantwortet die Fragen 21 und 22 bitte mit ›Ja‹, damit alle Ausnahmen und Beschränkungen des Urheberrechtes (z. B. in Forschung und Kultur) in allen Mitgliedsstaaten gleich verpflichtend sind und nicht in jedem Land einzeln erkämpft werden müssen.

Recht auf Remix

Fragen 21-26
Parodie, Zitate und Remix zu Ausbildungs- und Bildungszwecken müssen für Texte, Audio und Video gleichermaßen erlaubt sein. Eine Ausnahme für kommerzielles Remixing z. B. für DJs und Werbetreibende würde den Wettbewerb in diesen Branchen beleben. Ihr könnt in euren Antworten auch erwähnen, dass Remixing Teil einer Popkultur ist, die dabei hilft, kulturelle Barrieren zwischen Menschen aus verschiedenen Mitgliedstaaten zu überwinden. Ein Recht auf Remix fördert so die Europäische Integration.

Menschen mit Sehbeeinträchtigung
Fragen 21-26
Die Europäische Union unterstützt bereits den Vertrag der WIPO, der einen besseren Zugang zu literarischen Werken für Menschen mit Sehbeeinträchtigung ermöglichen soll. Michel Barnier von der EU-Kommission unterstützt den Vertrag ebenfalls und wir sollten auch daran erinnern.

Angemessene Verwendung (Fair Use)
Frage 24
Eine ›Fair Use‹-Klausel im Europäischen Urheberrecht könnte die Anpassung auf zukünftige neue Technologien und die innovative Nutzung von Kulturgütern erleichtern.

Rechtssicherheit für P2P- und Torrent-Netzwerke
Fragen 13, 14, 21-26, 80
Peer-to-Peer- und sowie Torrent-Netzwerke, Filesharing und distributed culture finden sich in den Fragen 21-26 (Spielräume im Urheberrecht: Filesharing sollte erlaubt sein) oder in Frage 80. Das Recht auf Wiederverkauf digitaler Werke (Fragen 13 und 14) würde die Entwicklung neuer, innovativer und weniger monolithischer Geschäftsmodelle in der EU fördern.

So, das war’s. Wenn ihr Ergänzungen oder Verbesserungsvorschläge habt, benutzt bitte die Kommentarfunktion, damit der Leitfaden noch besser und verständlicher werden kann.

Bilderquelle: Horia Varlan cc-by 2.0 (Jigsaw) Bob Waldo Pics cc-by 2.0 (EU Flag)

Stop TTIP in allen Sprachen – Videos für Europa

stop

Unter http://stopttip.wordpress.com habe ich begonnen, Youtube Clips zum Freihandelsabkommen TTIP/TAFTA in allen europäischen Sprachen bereit zu stellen. Die Seite wird regelmäßig geupdated und weitere Sprachversionen befinden sich in der Produktion. (Polnisch, Italienisch, Schwedisch, Finnisch, Russisch, Türkisch uva…)

Gerade die Sprachbarriere ist einer der größten Hinderungsgründe für die Europa weite Vernetzung.
Nur wenn die Bürger in ganz Europa über die tiefgreifenden Folgen eines Freihandelsabkommen informiert werden, können wir die Gefahren abwehren.

TTIP
steht in der Tradition von ACTA: Intransparente Hinterzimmerpolitik großer Handelsunternehmen und Verbände.

TTIP bringt Harmonisierung von Verbraucherschutz zum Vorteil der Konzernen und zum Nachteil der Bürger.

TTIP
verspricht privilegierte Klagerechte für Konzerne gegenüber regionalen Bestimmungen.

TTIP setzt restriktiveren Urheberrechtsschutz im Sinne großer Unterhaltungsindustrien durch.

TTIP verspricht Jobwunder, bringt aber mehr Niedriglohnsektor und damit Transferleistungen

TTIP
verschlechtert Umwelt-, Arbeits- und Sozialstandards

TTIP bringt ökonomische Aufrüstung und kalten Krieg der Ökonomien mittels Handels NATO anstatt vernetztem “Eine Welt” Denken

Rede Kandidatur EU 14 Bochum, 4.1.14

aufstell
Liebe Piraten,

Mein Name ist Bruno Kramm, ich bin in München geboren und bin seit über 25 Jahren in der Musikbranche als Musiker und als GF einer Independent Plattenfirma unterwegs. Ich bin Beauftragter für das Urhr und hab in den letzten Jahren auf vielen Diskussionspodien, in Sendungen und Interviews für unser Ziel einer Urheberrechtsreform gekämpft. An den Protesten gegen ACTA war ich aktiv beteiligt, sei es die Synchronisation des 4 Miliionen mal angeklickten „Was ist ACTA“ Videos oder als Sprecher auf sehr vielen Demos. Zur Zeit bin ich im Hintergrund in der Vernetzung des Protests gegen das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP involviert.

Was ich politisch mache, könnt ihr ganz einfach auf meiner Wikiseite und auf meinem Blog sehen.

Das Europa meiner Jugend war von Vorurteilen geprägt. Es war von geistigen und realen Schlagbäume getrennt und so schwarz weiss wie der Großteil des damaligen Fernsehprogramms. Man präsentierte dem ostdeutschen Nachbarn die systemische Überlegenheit, dazwischen lagen unüberwindbare Grenzen aus Stacheldraht und Mienen.

Als ich 16 war, begann mein digitaler Wandel klein mit einer Datasette und dem C64. Ich vergrub mich in dieser Maschine und als das Internet zu leuchten begann und durch die Universitäten befreit wurde begann meine zweite Kinderstube. Die Sozialisation im Netz. Eine Welt die auf Teilhabe, freie Strukturen und Software aufbaut. Eine Welt die nicht nach Herkunft unterschied und mir ein Tor zum Kosmos des Wissens und des Gemeinwesens öffnete.

Beteiligung an Kultur, Wissen und politische Mitbestimmung: Diese Idee entstand im Netz und findet sich wieder im Gründungsmythos unserer Partei – der Upsala Deklaration, die die Rahmenbedingungen für den Sprung von der alten, starren Dienstleistungsgesellschaft Europas zur offenen Wissensgesellschaft von Morgen umreisst.

Mein Europa von heute ist das Europa meiner deutsch finnischen Familie, ein Europa ohne Grenzen, ein Europa das seine Stärke aus der kulturellen Vielfalt seiner Regionen bezieht.

Leider ist mein Europa auch ein Ort der endlosen Verwaltung bis ins Kleinste, des von “oben herabs”, des Mangels an Mitbestimmung. Ein Europa in dem nationale Interessen gnadenlos ausgespielt werden und Menschenrechte unter den Teppich gekehrt werden.

Ein scheinbarer Rosengarten, dessen äussere Mauern für viele Hilfesuchende undurchdringlich sind. Ein Europa, im dem sogar Ministerpräsidenten unverholen rassistisch und volksverhetzerisch Stimmung gegen die schwächsten Machen, nur um daraus nationalen Profit zu schlagen.

Ein Europa in dem der ACTA Zombie unter dem Namen TTIP/TAFTA als Freihandelsabkommen aufersteht und demokratische Grundrechte zu Gunsten großer Konzerne aushebelt.

Entdemokratisierung und „Privatisierungen“, die Enteignung des öffentlichen Raums und Gemeinwesens passiert heute in Europa tagtäglich mit TTIP und ESM, mit dem Urheber- und Patentrecht, mit regulativer Kolaboration, Warnhinweismodellen und verstecktem Lobbyismus auf allen Ebenen.

Nicht umsonst hat die Unterhaltungs- und Contentindustrie eine unfassbar hohe Lobbydichte in Brüssel und Strassbourg. Eine Industrie die in pervertierter Gier jede Kopie bis in den letzten Winkel verfolgen möchte. Eine Industrie die nicht davor zurückschrecken wird am Ende sogar Methoden zu nutzen die den enthüllten Alpträumen der NSA Massenüberwachung gleichen.

Ich kandidiere für Europa weil ich den Kampf aufnehmen möchte und den Wandel gestalten möchte. Weil ich das Urhr reformieren möchte. Weil ich es kann, weil ich die Gegner unserer Reform durch meine jahrelange Arbeit persönlich kenne, weil ich ihre Strukturen und Strategien aus dem “FF” kenne.

Ich möchte all dem unseren Entwurf eine Gesellschaft in der der Remix von Kultur, Schöpfungen und Wissen als Quell der Wissensgesellschaft dient, gegenüberstellen. In der das freie Kopieren genauso selbstverständlich ist wie die Abwesenheit von Angst, sozialem Absturz oder Ausgrenzung.

Ich kandidiere, weil ich TTIP niederschmettern möchte, wie uns das schon einmal mit ACTA gelang.
Auch wenn viele von uns nach den letzten Wahlen, nach der Selbstzerfleischung, nach der Beschäftigung mit Oberflächlichkeiten ihren politischen Kompass verloren haben. Der Auftrag der Piraten für den Wandel ist wichtiger denn je und er ist europäisch.

Unsere Kernthemen sind das Skelett einer neuen postmateriellen, sozial-liberalen und progressiven Gesellschaftsordnung. Für ein Europas des Wissens und des Miteinanders: Erst zusammen ergeben sie ein Narrativ. Statt Zwang und Vollbeschäftigung baut das BGE auf lebenslanges Lernen und individuellen Forschergeist. Ideen die nach dem Gemeinwesen und nicht nach dem Profit bewertet werden, erzeugen Wachstum und Fortschritt auf einer nicht messbaren Skala – der Menschlichkeit.

Um die Piraten in Europa zum Erfolg zu führen müssen wir den Menschen den roten Faden, der unser Programm von der Netzpolitk und dem Urheberrecht bis zum bedingungslosen Grundeinkommen beseelt, nahe bringen. Dafür braucht es starke Kommunikatoren und Vermittler. Menschen mit Mut und Stimme. Echte Piraten. Ich stehe bereit und brenne für diese Aufgabe, mehr denn je.