Das Urheberrecht und die unter 30 Jährigen

Die vor zwei Wochen veröffentlichte Allensbach-Studie fragt nach der Akzeptanz des Urheberrechts und stellt dessen breite Ablehnung im Internet bei den unter 30-Jährigen fest. Kein Wunder, versteht der Großteil der „digital natives“ das Urheberrecht mittlerweile nur noch als Bedrohung der Privatsphäre und tiefen Eingriff in den freien Lebensraum Internet. Viel zu lange haben Verwerter und etablierte Parteien unisono die Rechte der Urheber zur Chefsache verklärt, restriktive Kontrolle der Privatsphäre und Warnmodelle gefordert und dabei eigentlich nur die lückenlosen Verwertungsoptionen unter dem Banner des Urheberrechtes auf das Internet ausweiten wollen.

Der Unterschied zwischen Nutzungsrecht und Urheberrecht verschwand in der nicht endenden Gebetsmühle des Gleichnisses eines gestohlenen Fahrrads und einer kopierten Datei, während man die medienkompetenten Nutzer als amoralische Verbrecher brandmarkte, auf die gleiche Stufe mit Kapitalverbrechern stellte und ihre Argumentationen als Gratiskultur diffamierte.

Dass die Ablehnung des Urheberrechtes laut der aktuellen Studie vor allem die unter 30-Jährigen betrifft, erinnert dabei frappant an die Wertebrüche älterer Generationen. Das Establishment fand zu jeder Zeit moralische Erklärungen für Sitten- und Werteverfall, der als Ausdruck einer freiheitlichen und rebellischen Jugendbewegung für die Erneuerung und den Fortschritt sorgte. Eroberte Lebensbereiche, die im Laufe schmerzhafter Geburtswehen unsere Gesellschaft erneuern und den technologischen Entwicklungen eine menschliche Komponente verleihen.

Die Werte des konservativen Marktestablishments, die häufig auch ethisch fragwürdigste Ausbeutungsverhältnisse vertreten, stehen im krassen Widerspruch zum Internet-Gründungsmythos und den Idealen des Opensource.

So widerspricht die Einhegung der grundsätzlichen Forderung nach Teilhabe aller, jenem Leitsatz, der mit dem Netz begann. Partizipation steht aber nicht nur am Ende eines langen Weges, der vom Totalitarismus, Kolonialismus über Einhegung und Kapitalismus zu Bürgerbeteiligung, Pluralismus und Open Government führt, sondern vollzieht sich auch in kleinen Schritten in der übergangslosen Diversifikation der noch vor einer Generation strikt getrennten Positionen von Urhebern und Rezipienten, hin zu einer schöpferischen Gesellschaft kreativer Nutzer und zitierender Urheber.

Statt die Anpassung durch Angebote und lizenzfreie, der Fair Use Regelungen ähnlichen, Verfahrensweisen im Netz zu etablieren, wurde größtenteils auf Zementierung alter Ansprüche gedrängt. Die Industrien der Vergangenheit waren in diesem Prozess nicht zimperlich und schreckten auch nicht vor der Zerrüttung des uralten Paktes zurück, dem elementare Vertrauensverhältnis zwischen Konsument und Schöpfer.

Der Schöpfer als gieriger Wegelagerer gegenüber dem kulturverachtenden Gratis-Konsumenten hat jede Diskussion im Frontenkrieg erstickt.

Statt über eine Anpassung an das digitale Zeitalter nachzudenken, wurde das Urheberrecht zum elementarsten Menschenrecht verklärt und die Reform als Angriff auf die Grundwerte unserer Gesellschaft niedergerungen.

Dem hingegen unterstreicht das zweistellige Wachstum der neuen digitalen Angebote die alte Forderung der netzaffinen Gesellschaft nach Angeboten statt Restriktion und führt die ihnen unterstellte Selbstbedienungsmentalität ad absurdum. Die Generation der unter 30-Jährigen empfindet dagegen die als Urheberrechtsdebatte getarnten Verwerterforderungen als Bedrohung und lehnt jetzt das Urheberrecht in seiner Gesamtheit ab.

Dabei sprechen diese Nutzer den Urhebern gar nicht das Recht ab, an ihren Werken zu verdienen. Beginnt man die sachliche Debatte um das wirkliche Urheberrecht, ist die Akzeptanz vieler wesentlicher Punkte bemerkenswert. Weder Persönlichkeitsrechte, noch das Recht auf Honorierung werden abgelehnt. Die Urhebervertragsrechte, die dem Urheber mehr Rechte gegenüber den Verwertern einräumen, werden unterstützt und die Allmacht der Verwertungsgesellschaften gegenüber kommerziellen Nischenprodukten kritisiert, deren Reform bei Verteilungsgerechtigkeit und Transparenz angemahnt.

Die Allensbach-Studie belegt nicht die mangelnde Moral einer Bevölkerungsgruppe gegenüber Urhebern. Sie zeigt, wie sehr die oligopolen Verwerterstrukturen und ihre restriktiv vertretenen Nutzungsrechte abgelehnt werden.

Es ist Zeit, den unter 30-Jährigen zuzuhören.

Von Büchern und Bundesvorständen

von Andi Popp und Bruno Kramm.

Wir gestehen: Wir hatten beide etwas Schwierigkeiten, die richtigen Worte für einen Kommentar zum aktuellen Gate um Julia Schramms Buch »Klick mich« zu finden. Wir wollten weder in den Shitstorm mit einsteigen, noch uns dem Vorwurf aussetzen, wir würden eh nur das Buch promoten. Die Situation ist aber leider zu verfahren und muss einfach mal analysiert werden. Deshalb haben wir uns zusammengesetzt und die verschiedenen Aspekte der Causa #Klickmich zusammengefasst. Derzeit gibt es Leute, die Julia verteidigen und Leute die sie bashen. Wir denken aber, dass die aufgeworfenen Fragen bei weitem nicht so schwarz und weiß beantwortet werden können.

Zuerst einmal muss man eine Sache festhalten: Nicht Julia ist gegen die Verbreitung des Buches vorgegangen, sondern der Verlag. Dieser Aspekt wird zwar derzeit – wahrscheinlich mit voller Absicht – gerne mal an den Rand gedrängt, ist aber zentral. In erster Linie hat der Knaus-Verlag die Ziele der Piraten ignoriert, nicht Julia Schramm.

Nehmen wir mal an, ein Pirat arbeitet als Programmierer für Microsoft an MS Office und Microsoft lässt unrechtmäßige Office-Kopien aus dem Netz entfernen. Niemand käme auf die Idee, dem Programmierer vorzuwerfen, er würde gegen die Ziele der Piraten verstoßen. Ein einzelnes kleines Rädchen kann eben nicht immer ein ganzes System ändern. Deswegen haben wir die Piratenpartei gegründet, weil wir die rechtlichen Rahmenbedingungen (Gesetze) ändern wollen, sodass nicht jeder einzeln gegen die Windmühlen rennt.

Julia ist als Autorin natürlich in einer unweit besseren Position. Sie ist deutlich schwerer zu ersetzen als ein einzelner Programmierer bei einem Softwaregiganten und hätte hier sicher die Möglichkeit gehabt, Pionier für einen modernen Ansatz zu sein. Sie hätte versuchen können, ein Zweitverwertungsrecht für eine Online-Veröffentlichung unter einer CC-Linzenz (gerne NC) auszuhandeln. Oder sie hätte den Verlag vielleicht zu einem Pay-What-You-Want-Modell überreden können (in Deutschland schwierig wegen des Problems der Buchpreisbindung, aber wo ein Wille ist …). Dass sie hier den klassischen Weg gewählt hat, ist in erster Linie eine verpasste Chance.

Stattdessen hat Julia mit ihrem Verlag das Modell einer „gelben Karte“ ausgehandelt. Das heißt, der Verlag sieht bei der ersten Verbreitung davon ab, eine kostenpflichtige Abmahnung zu schreiben. Das ist sicher besser, als direkt eine kostenpflichtige Abmahnung zu schreiben, aber immer noch kilometerweit von den Zielen der Piratenpartei entfernt, denn Abmahnmodelle sind für uns schon wegen des unverhältnismäßigen Einbruchs in die Privatsphäre nicht zu rechtfertigen. Die gelbe Karte erinnert irgendwie an das vorgeschlagene Zwei-Stufen-Warnmodell. Und genau hier ist Julias Position kritikwürdig.

Nehmen wir an Julia sagt: »Ja, ich finde es auch blöd, dass der Verlag so handelt wie er handelt. Mir wäre es auch lieber gewesen, wir hätten eine bessere Lösung gefunden. Aber ich stand eben vor der Wahl, in den sauren Apfel zu beißen oder kein Buch zu veröffentlichen. Ich hoffe, bei meinem nächsten Buch bin ich bekannt genug und habe genug Verhandlungsgewicht, um es besser zu machen.«

Das wäre vollkommen akzeptabel. Man kann als ehrenamtlicher Politiker in seinem Tagesjob oder seinem Alltagsleben nicht immer allen politischen Zielen frönen. Andi fände es auch cool, wenn sein Arbeitgeber seinen eigenen Computer nicht mit Atomstrom betreiben würde. Bruno würde sich auch riesig freuen, wenn die C3S bereits die Urheberrechte seiner Songs statt der GEMA wahrnehmen würde. Aber wir organisieren uns lieber mit anderen und setzen uns für den Atomausstieg oder die Reform der GEMA ein, als zu versuchen, jedes Reiskorn einzeln zu schälen. Es ist eine Frage der persönlichen Strategie und Ressourcenverteilung. Vielleicht auch einer Frage, die einen Politiker ausmacht.

Das Problem ist aber, dass Julia diesen extrem schwachen Kompromiss mit der »gelben Karte« als gut und schön verkauft und darin sogar eine mögliche politische Forderung sieht. Sie distanziert sich eben nicht vom Vorgehen ihres Verlages. Wir wissen nicht, wieso sie das tut, aber genau das halten wir eigentlich für ein Mitglied des Bundesvorstands der Piratenpartei nicht angemessen. Sie lässt sich in gewisser Weise von ihrem Verlag politisch instrumentalisieren. Sie haben jetzt einer Piratin einen klassischen Vorschuss verpasst und können sie bei jeder Gelegenheit als Argument für die klassischen Verwertungsmodelle hervorkramen. Böse Zungen behaupten, das könnte eine Strategie der Bertelsmann-Gruppe sein, die mit dem 100.000-Euro-Vorschuss die günstigste Medienkampagne zum Durchsetzen eigener politischer Interessen gekauft hätte.

Wir glauben, Julia geht an die Sache einfach zu blauäugig ran, wie sie es schon so oft in der Urheberrechtsfrage getan hat, wenn sie gefragt wurde. Sie kennt sich auf diesem Gebiet einfach zu wenig aus und reagiert manchmal ein wenig beratungsresistent. Denn eigentlich ist Julia hier genau jenes Ich, das sie in ihrem Buch als eines ihrer vielen Avatare beschreibt: Eine unzuverlässige Erzählerin, die alles und jeden bewertet, die Geschichten so wiedergibt, wie sie das für richtig hält, und sowieso alles mit ihrer Wahrnehmung verfärbt. Das hat aber nichts mit Piratenpolitik zu tun. Kritik für diese naive Haltung halten wir für gerechtfertigt und angebracht. Aber ihr jetzt gleich Hochverrat an der Piratenpartei vorzuwerfen, soweit würden wir jetzt nicht gehen wollen.

Kandidatur Politischer Geschäftsführer Bayern


Liebe Freundinnen und Freunde,

Ich habe lange überlegt unter welchem Wahlspruch ich meine Kandidatur zum Politischen Geschäftsführer stellen möchte.
Vier Worte umschreiben dabei meine Vorstellung der Amtsführung: Initiieren, Integrieren, Moderieren und Kommunizieren.

Nach langen Gesprächen mit anderen politischen Geschäftsführern und Amtsträgern unserer Partei hab ich folgende Aufgaben als klares Hauptziel des kommenden Jahres in Bayern ausgemacht.

Ich möchte die politische Arbeit der vielfältigen Fach- und Arbeitsgruppen nicht nur intensiv fördern, sondern aktiv Synergien und Öffentlichkeit schaffen und ich kann Pressearbeit.

Nur die politische Willensbildung innerhalb der Partei als Zentrum der kreativen Entwicklung programmatischer Konzepte wird uns in ein erfolgreiches Superwahljahr führen..

Ich bin fest davon überzeugt: Ende kommenden Jahres werden wir bereits damit beschäftigt sein, sowohl im bayerischen Landtag als auch im deutschen Bundestag die Demokratie zu erneuern.

Anstatt uns nur geschmeichelt zu fühlen, dass man mittlerweile auf Augenhöhe mit uns spricht, müssen wir den Walfisch CSU und ihren verhungerten Putzerfisch FDP auf sämtlichen Themenfeldern vor uns her treiben.

Gerade in Bayern möchte ich deshalb noch viel stärker die urbanen Piratengrundsätze in die Fläche unseres Landes übersetzen.
Dafür müssen wir noch intensiver als bisher die Defizite aufdecken, die durch die intransparente Leuchtturmpolitk der Landesregierung den Jahrzehnte alten Filz kultiviert haben.

Wir müssen die Menschen aus der Resignation holen, denn die strukturellen Probleme in Bayern sind überall offensichtlich, werden von der Bevölkerung jedoch bisweilen als gottgegeben gesehen.

Regionale Kräfte gilt es deshalb umfangreicher als bisher zu mobilisieren und dafür haben wir die besten Argumente: Vom Infrastruktur-Ausbau der Breitbandnetze über ticketlosen ÖPNV bis zur Transparenzsatzung und Informationsfreiheit in den Städten und Gemeinden..

Dabei hilft auch die Aktivierung des Know-hows vieler großartiger und gerade erst gewählter Stimmkreiskandidaten und Aktiven in den Kommunen.
Ich möchte in regelmäßigen Bezirks- und Kreisverbandsreisen eine Kultur des Miteinanders und der Vernetzung etablieren, die über den normalen Stammtischbesuch des Landesvorstands hinaus geht und neben dem geselligen Teil vor allem den inhaltlichen Teil mit Vorträgen, Barcamps und Diskussionskonzepten wie World Cafes oder Zukunftswerkstätten stärken soll.

Die immer wieder unterschätzten Real Life Treffen nehmen dabei gerade ältere, nicht netzaffine Bürger mit ins Boot und helfen auch manches Mal, Konflikte der rein nonverbalen Netzkommunikation durch das soziale Miteinander aufzulösen.

Landespolitisch gilt es so die Regierung noch stärker in den Schwitzkasten zu nehmen und die Themenpalette gibt hierfür eine Menge her.

Die Landeshoheit und ihr ständiges Versagen in Sachen Bildungs- und Kulturpolitik ist ein Paradies für aktive Piratenpolitiker.

Ebenso die überfraktionelle Forderung nach einer Transparenzsatzung für das verfilzte Bayern, aber auch die rückständige und verklemmte Familien-, Jugend- und Geschlechterpolitik christlicher Doppelmoral ist ein wahres Themenfüllhorn für piratige Landespolitik.

Die Landwirtschaft und zunehmende Agrarindustrialisierung bietet uns bodenständige Piratenthemen, während man in Sachen Asyl, Teilhabe und Menschenrechte humanitäre Schieflagen besonders in Bayern ansprechen kann.

Und wenn wir uns den ständigen Fail der restriktiven Drogen- und Suchtpolitik ansehen, die Realitäten ausblendet, bei Alkohol ständig beide Augen zukneift, aber jeden kleinen Kiffer kriminalisiert, wird es mir schon jetzt warm ums Herz für den kommenden Landeswahlkampf.

In dieser Vielfalt der Themen brauchen wir aber auch dringend mehr Themenbeauftragungen, die dann jederzeit auf Abruf tagesaktuell aktiv werden können. Sei es für Pressemeldungen, Interviews, Podiumsdiskussionen oder Vortragstouren.
So gewinnen wir inhaltlich Konturen und werden auch in den Medien ernsthafter wahrgenommen.

Bayern als mitgliederstärkster Landesverband muss in Partnerschaft und Vertrauen eine Brücke zu Berlin schlagen. Damit meine ich jetzt nicht den Berliner Landesverband, sondern den Bundesvorstand.

Nur durch eine Stärkung der Achse München-Berlin können wir auch unseren Einfluss im Bund stärker geltend machen.

Durch meine sehr gute Vernetzung in Berlin kann ich uns Bayern dort ein viel stärkeres Gewicht verleihen. Wir sind eine bundesdeutsche Bewegung aller Piraten und so sollte es auch bleiben.

Ich möchte mich als Euer politischer Geschäftsführer für ein starkes, geeintes Piraten Bayern zwischen Ober- Niederbayern, Franken, Schwaben und Oberpfalz der Piraten vorschlagen. Gleichzeitig muss ich Euch warnen.
Ich bin Teamworker, Wer mich wählt, wird eingebunden. Das betrifft im Besonderen die vielen aktiven Unterstützer in meiner Wiki-Liste.

Ich möchte mit Euch Seite an Seite in Offenheit und Vertrauen an der Piraten-Zukunft im kommenden Superwahljahr arbeiten und die Gesellschaft auf mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung in den Parlamenten vorbereiten.

Die Freiheit von Informationen meint keine Kinderpornographie


Eines Vorab: Aufzeichnungen von sexuellen Gewalttaten gegen Minderjährige dürfen nicht legal sein – Ihre Verfolgung durch Einschränkung und Kontrolle des Netzverkehrs ist aber ebenso falsch wie Zensur und Sprechverbote.

In seinem aktuellen Artikel „3 Gründe für die Legalisierung des Besitzes von Kinderpornographie“ verfehlt Rick Fakvinge nicht nur die eigentliche Intention seines Aufsatzes, sondern nutzt auch noch die reißerische Aufmachung von Boulevardjournalismus. Der Ahnherr aller Piraten aus Schweden disqualifiziert sich bei einem Thema, dass nur mit besonderem Fingerspitzengefühl behandelt werden kann, denn er instrumentalisiert die Schwächsten in unserer Gesellschaft, die Kinder zu einem unangemessenen Rechtsdiskurs um die Freiheit von Informationen, an Stelle dieses Thema im Nachgang einer grundlegenden Debatte zu behandeln.

Natürlich will niemand Rick unterstellen, er würde den Missbrauch von Kindern und die Aufzeichnung von Kinderpornographie gut heißen – er spricht sich dagegen selbstverständlich mehrfach aus. In der Tat ist der Artikel auch in erster Linie an amerikanische Moralisten gewandt und schneidet den restriktiven Umgang mit Beweismaterialien in den USA an, die unter bestimmten Bedingungen den Besitzer eines Videos schärfer bestrafen als den Gewalttäter. Und auch werden Menschen in unseren Breiten wegen des wissentlichen und sogar unwissentlichen Besitzes verbotener Inhalte immer wieder an den öffentlichen Pranger gestellt. Ebenso ist die Trennlinie zwischen Inszenierungen in der Fetischszene und realen Gewalttaten oft nur schwierig zu erkennen.

Trotzdem verliert Rick die eigentlichen Opfer aus den Augen, wenn er mit einem konstruierten Beispiel aus der Zukunft seine eigentliche Kritik am Verbot von Kinderpornographie untermauern möchte, denn sein zufälliger Beobachter einer Szene von sexueller Gewalt gegen Kinder macht sich zuerst wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar und erst in zweiter Linie wegen der Aufzeichnung eines Videos mittels seiner Dashcam.

Dabei versteht sich von selbst, dass die Gesetzeslage bezüglich zufällig aufgenommener Videos die zukünftige Verbreitung dieser Technologie einbeziehen muss, ein echtes Piratenthema. Dafür wäre aber ein anderes Beispiel eine bessere Landingpage gewesen.

Es versteht sich auch von selbst, dass weder Netzsperren noch Vorratsdatenspeicherung ein verhältnismäßiges und probates Mittel gegen Kinderpornographie darstellen. Nicht umsonst wurde Zensursula gekippt, während die Piratenpartei immer größeren Rückhalt aus der Bevölkerung auf Grund ihrer Forderungen nach digitaler Privatsphäre und Datenschutz feierte. Und auch die rücksichtslose Verfolgung von Patent-, Urheber- und Markenschutz mit dubiosen Argumentationen ist gerade in Europa fulminant gescheitert. Wir erinnern uns an ACTA. Die netzaffinen unter 30 Jährigen lehnten noch nie so stark das veraltete Urheberrecht und die begriffliche Gleichsetzung von geistigem und physischen Eigentum ab, zumindest laut aktueller Studie des Allensbach Institutes.

Der aktuelle Vorstoß von Rick hingegen wird gerade jene stärken, die in diesen restriktiven Kontrollinstanzen die Rettung vor der digitalen Freiheit, der Betonierung veralteter Verwertungsmodelle und der Einhegung von Wissen, Informationen und Schöpfungen suchen. Unter dem Deckmäntelchen eines provokant inszenierten Schutzes von Kindern vor sexuellen Übergriffen kann man schnell eine große Mehrheit unzureichend informierter Bürgerinnen und Bürger sammeln und gleichzeitig die eigenen Vorstellung eines Mautnetzes im Internet voran treiben.

Leider hilf Ricks Beitrag und seine provokante Headline jetzt umso weniger, die verklemmte Sexualmoral und den Umgang mit Pornographie generell zu entkrampfen. Das beginnt bei der voruteilslosen Unterscheidung zwischen krimineller und inszenierter Kinder- und Jugendpornographie und den vielen anderen Spielarten sexueller Ausrichtungen.

Das bereits der Besitz eines Videos strafbar ist, sobald es sich im Cache eines Rechners befindet, hätte man mit weniger Effekthascherei thematisieren können, denn Rick sprach bewusst die Legalisierung jener kriminellen kinderpornographischen Werke an, die sich in ihrer Brutalität nicht von Enthauptungsvideos und anderen filmisch festgehaltenen Gewalttaten unterscheiden.

Die potentielle Möglichkeit des Besitzes durch den Rechtsklick einer Maus als normativ kriminelle Handlung anzusehen, schwächt nicht nur die Medienkompetenz, erzeugt Angst bei zufälligen Surfen, sondern entspricht nicht mehr dem Nutzungsalltag der User.

Auch Ricks Gleichstellung eines Vergewaltigungsvideos mit einem intimen Sexvideo zweier Liebenden mag in Grundzügen ein Problem der amerikanischen Rechtsprechung skizzieren, verharmlost aber den eigentliche Problem: Das Wegschauen in unserer Gesellschaft und die mangelnde Zivilcourage. Ein wirklich sinnvoller Schluss mag es da schon eher sein, den apathischen Beobachter von Aufzeichnungen aus der Reserve zu locken und zur Auseinandersetzung zu bewegen, denn die Abstumpfung gegenüber dem Schrecken inszenierter Realität und die mangelnde Empathie gegenüber wirklichen Opfern ist in unseren Breiten ein viel größeres Problem als die Verfolgung von illegalen Inhalten.

Die pauschale Freiheit von Kinderpornographie mit der Freiheit von Informationen zu verwechseln liegt an der mangelnden Empathie mit den Opfern. Denn sowohl die psychische und physische Unversehrtheit als auch seine Persönlichkeitsrechte wurden verletzt und lassen tiefste, oft niemals heilende Wunden fürs Leben zurück.

Kultur Retten – Gema anketten


Rede auf der Münchener GEMA Demo, 6.9.2012

Wann verkehrt sich eine gerechte Idee ins Gegenteil?
Als im Jahre 1903 die GEMA als Idee von den Komponisten Schumann und Strauss erdacht wurde, war ihre Intention ehrenwert. Komponisten und Textdichter sollen an der Nutzung ihrer Werke verdienen.
Heute kennt die lückenlose Auswertung sämtlicher Nutzungsarten bei der GEMA keine Grenzen. Es fallen für alles und überall Gema-Gebühren an.
Im Rundfunk, Fernsehen, bei der Herstellung von CDs, bei iTunes, bei Konzerten, im Kino und in der Sexkabine, für jeden USB-Stick, Smartphone, Computer, Drucker, Scanner, in Diskotheken und auf Stadtfesten, im Kindergarten und im Altersheim, auf Hochzeiten und Beerdigungen – Von der Geburt bis zum Tod kassiert die GEMA überall.
Wenn man das Wachstum der GEMA-Umsätze betrachtet, geht es der Musikindustrie super. 2000 waren es 800 Millionen und jetzt sind es bereits 860 Millionen pro Jahr.

Und natürlich brauchen Musiker und Komponisten eine funktionierende Verwertungsgesellschaften die zukunftsfähig ist.
Gerade in Zeiten, in denen klassische Tonträger verschwinden und Musik immer häufiger nur noch gestreamt wird.
Doch leider ist die GEMA von heute ein monopolistischer Dinosaurier mit totalitären Strukturen. Die GEMA produziert sowohl vorne wie hinten Ungerechtigkeit.
Und zwar bei jenen, die für die Nutzung von Musik bezahlen, als auch bei denen die für ihre Musik eine gerechte Entlohnung erwarten.
Ich möchte diese Ungerechtigkeiten kurz illustrieren. Die GEMA behauptet ja gerne, ihre Mitglieder würden über alles bestimmen. Das ist eine wohldosierte Lüge. Die 64 Tsd. GEMA-Mitglieder sind allesamt Kulturschaffende, doch dürfen nur 5 Prozent, die sogenannten ordentlichen Mitglieder, bestimmen wie eingenommene Gelder verteilt werden, oder die GEMA reformiert wird.
Diese 5 Prozent sind jene Mitglieder, die mindestens jedes Jahr 6000.- € über die GEMA verdienen. Die 60Tsd anderen GEMA-Mitglieder, die für den größten Teil aller musikalischen Schöpfungen sorgen, sind dagegen rechtlose Mitglieder. Sie dürfen weder über die Verteilung noch über die Struktur dem GEMA bestimmen.
Und da sie rechtlos sind, können sie nur unter größter Anstrengung jene 6000.- € jährlich überschreiten, um endlich für Gerechtigkeit zu sorgen, denn die Umverteilung von unten nach oben hat bei der GEMA System.

Als Beispiel möchte ich Euch vorstellen, wie das in den letzten Jahrzehnten im Konzertbereich lief:
Eine Band, die ihre eigene Songs spielt und im Rahmen einer selbst organisierten Tour 20 Konzerte in Deutschland spielt, bezahlt selbst im Schnitt 350.- € je Konzert. Von den 7000.- €, die sie selbst an die GEMA abführen muss, bekommt sie im Schnitt eine zweistellige Summe zurück. Der Rest geht in die Töpfe der ordentlichen Mitglieder. Um über Konzerte 6000.- € jährliche Einnahmen zu generieren, um als ordentliches Mitglied dann mitzubestimmen, müsste diese Band jeden Tag im Jahr 2-3 mal auftreten.
Sehen wir uns den Diskothekenbereich an: In den 7000 Diskotheken sind es gerade mal 100 Blackboxen, die je Woche eine Stunde Musik aufzeichnen. Diese Blackboxen werden ausgewertet und dann alle Gebühren, die die GEMA bei den Diskotheken eingesammelt hat an die Mitglieder ausgeschüttet, die in den Aufzeichnungen der Blackboxen dokumentiert wurden. Wenn wir davon ausgehen, dass die normale Disko 3 Tage in der Woche jeweils 8 Stunden geöffnet hat, wäre diese Stichprobe der Blackboxen gerade mal ein halbes Prozent aller gespielter Titel.
Dass bei so einem System wiederum nur die ordentlichen Mitglieder verdienen, liegt auf der Hand, denn unsere kleine Independentband wird wahrscheinlich durch dieses Raster fallen und dann auch nichts für ihre gespielte Musik erhalten.

Noch schlimmer ist die GEMA-Vermutung. Gerade in vielen alternativen Szenen wie Techno, Independent, Gothic oder Metal sind Musiker immer häufiger keine GEMA-Mitglieder. Trotzdem kassiert die GEMA die vollen Beträge. Nur wenn ein DJ für jedes Stück, das er auflegt, den Namen des Komponisten mit Adresse nachweist, muss er nicht bezahlen.
Sollte ein Name doppelt vorkommen, so behauptet die GEMA, dass es sich um ihr Mitglied handelt und kassiert.
Sollte ein Musiker ein Pseudonym verwenden – und das tun fast alle Musiker – so behauptet die GEMA, hinter diesem Pseudonym würde sich ein GEMA-Mitglied verstecken und kassiert. Wer sich dagegen wehrt, wird von der GEMA verklagt und verliert, wie zuletzt im Prozess der GEMA gegen die Musikpiraten.
Darüber hinaus erhalten die sogenannten Standardwerke, also Gassenhauer von Erfolgproduzenten wie Dieter Bohlen und Ralph Siegel zusätzliche Multiplikationspunkte.
Diese Multiplikationspunkte sorgen dafür, dass der Großteil der Erlöse, der den kleineren Urhebern und Bands zustehen würde, an die ordentlichen Mitglieder umverteilt wird.
Dieses Verteilungssystem der Ungerechtigkeit sorgte in den letzten zwei Jahrzehnten dafür, dass die meisten Einnahmen aus Nischendiskos, von Festivals und Stadtfesten aber auch von Leermedien wie CDRs, Festplatten, USB-Sticks und Handys direkt an die Inhaber der Rechte dieser Standardwerke fließt. So etwas nenne ich Raubtierkapitalismus.

Nun kommen wir zur anderen Seite der GEMA Gerechtigkeit: Als die GEMA ihre Tarifreform für Diskotheken, Stadtfeste, Vereine und Musikkneipen vorstellte, sprach sie von Tariflinearisierung. Niemand hätte sich gegen eine moderate Erhöhung dieses Tarifs ausgesprochen, denn den meisten Veranstaltern ist bewusst, dass diejenigen, die die Musik schreiben, beteiligt werden müssen.
Und auch die Musiker schätzen die Clubszene. Wo sonst können Bands ohne große Marketingbudgets ihren ersten Hit landen, wenn nicht in Clubs und Diskotheken?
Es ist ein Geben und ein Nehmen. Doch die Tarifreform der GEMA hat es in sich. Durch eine neue Berechnung der Nutzungsfläche, die sogar jeden nicht genutzten Quadratzentimeter eines Clubs einbezieht, entstehen saftige Grundtarife. Auf diesen Tarifen werden dann Zeitzuschläge, GVL-Zuschläge und Vervielfältigungszuschläge aufgerechnet. Der Vervielfältigungszuschlag von 30 Prozent fällt übrigens dafür an, dass ein DJ statt CDs ein Notebook zum Auflegen benutzt. Die Musik auf der Festplatte könnte ja nichtlizensierten Ursprungs sein.
Die so entstehenden Tarifmonster überschreiten die bisherigen Budgets der Clubs um das 10 bis 15 fache. Ein normaler Club kann sich das nicht mehr leisten. Kultur wird sterben. Vielfalt wird gleichgeschaltet.

Die GEMA behauptet, sie wolle nur 10 Prozent der Einnahmen, unterschlägt dabei aber, dass diese Rechnung nur bei einem ausverkauften Clubevent funktionieren würde.
Die GEMA behauptet, die Clubs könnten jetzt die Einigung, die als Alibi mit dem Verband des deutschen Karnevals geschlossen wurde, für sich nutzen und müssten so nur eine 25 Prozent Steigerung im Jahr verkraften. Diese stufenweise Einführung gilt aber nur für Veranstaltungen, deren Eintritt über 10 € kostet. Die normale Disko hat davon gar nichts.
Nirgendwo klafft der Anspruch einer de facto Künstlergewerkschaft und Realität des Feudalismus mehr auseinander als bei der GEMA. Die GEMA als Verein wird durch ihre Legitimation aus dem Grundgesetz und dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz mit monopolistischer Allmacht ausgestattet.
Das produziert nicht nur Ungerechtigkeit in nie gekannter Intransparenz. Es schützt die inneren Interessengruppen vor dringenden Reformen während Kritik von Außen mit teuren Werbekampagnen anstatt mit Fakten beantwortet wird.

Ihre Verwaltung lässt sich die GEMA übrigens gut bezahlen, denn 15 Prozent der eingesammelten Beträge – das waren im Jahr 2011 120 Millionen Euro – werden großzügig auf Altersversorgung, Sozial- und Rentenfonds, Vorstandsbezüge und repräsentative Infrastruktur verteilt.
Die Verteilung für soziale Härtefälle und Kulturförderung ist nicht nachvollziehbar.
So stellt sich die Frage nach der grundlegenden Reformfähigkeit der GEMA.
Neben den vielen vereinsrechtlichen Fragen zur Verteilungsgerechtigkeit und der Forderung nach einem jährlichen Transparenzreport, gilt es neben den kaum nachvollziehbaren Tarif- und Verteilschlüsseln auch die Harmonisierung innerhalb Europas voranzutreiben.
Vielleicht hilft dabei auch ein Wettbewerb unter Verwertungsgesellschaften. Viel versprechende Neugründungen wie die C3S, die sich der Creative Commons Lizenzen annehmen möchte, sind ein Hoffnungsschimmer am Horizont.

Wer an die große Chance einer Reform nicht glaubt, der sei im Widerhall der ACTA Demos erinnert. Alle Monopole wurden im Zuge technologischer und gesellschaftlicher Entwicklungen hinterfragt. Manchmal auch mit der Kraft des Gesetzes zerschlagen.
Wer hätte sich in den 1970ern vorstellen können, dass eines Tages das Post- und Telekommunikationsmonopol fallen würde?

Alle musikalischen Urheber, ob GEMA-Mitglied oder nicht, und alle Musikfans müssen ihre Stimme im Streit um Verteilungsgerechtigkeit, Transparenz und faire Tarifreform zu Gehör bringen.