Spionage-Abrüstung, eine digitale Friedensbewegung

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Dass Pofalla, Friedrich und Merkel in der NSA-Affäre jegliche Glaubwürdigkeit verloren haben, ist keine Neuigkeit. Ihre Hilflosigkeit erinnert an die westdeutsche Schockstarre von Politikern und Gesellschaft während der Hochphase des kalten Krieges, als sich SS-20- und Pershing-Marschflugkörper in Europa gegenüberstanden und die nukleare Drohkulisse zum Trauma ganz Europas wurde. Doch ohne diesen Druck hätte es auch keine Geburt der Friedens- und Abrüstungsbewegung gegeben, die nicht nur als neue politische Kraft in den Parlamenten Fuß fassen konnte, sondern letztlich auch der Anfang vom Ende des Rüstungswettlaufes war. 

Die kalten Krieger dieser Zeit sind längst pensioniert, doch hatten sie mit der Informations- und Kommunikationstechnologie bereits früh einen neuen Kriegsschauplatz ausfindig gemacht. Nicht umsonst haben Militärs und Geheimdienstler mit dem der Vorläufer des Internets, dem Arpanet ihre Grundlagenforschung der militärischen und geheimdienstlichen Kommunikation erprobt. Echelon ist auch ein Kind dieser Epoche, wie so viele geheimdienstliche Technologien.

Das kollektive Versagen in Sachen Kontrolle der Geheimdienste hat auch in dieser Zeit ihren Ursprung. So wurde auch nach der Wiedervereinigung kein einziges der frühen, die amerikanische Überwachung legitimierenden Gesetze aus der Alliierten-Zeit revidiert.
Ganz im Gegenteil: Verschärfungen der staatlichen Überwachung, die im Zuge des 9/11-Anschlags in der G-10-Runde eingeführt wurden, fanden bis heute keine neue Bewertung, obwohl sich die Fragen zum internationalen Terrorismus längst nicht mehr um die simple “Achse des Bösen” drehen und die Rhetorik des Präsidenten George W. Bush ein für allemal ausgedient hat.

Und es ist kein Geheimnis, das die NSA seit der bundesdeutschen Kinderstube große, internationale Überwachungsanlagen in Deutschland betreibt. Das neue Überwachungszentrum in Wiesbaden als Nachfolger des Dagger Complexes in Darmstadt und der stillgelegten Abhörparks in Bayern und im Westen Berlins hat den Betrieb aufgenommen. Bisher galt die Infragestellung der Abhöranlagen als Antiamerikanismus. Doch die Front dürfte bröckeln – den Bürgern kann man heute schwerer denn je vermitteln, warum Gesetze aus der Besatzungszeit, mit so tiefgreifenden Folgen für die Privatsphäre noch heute gelten. Da die millionenfache Überwachung von der digitalen Privatsphäre über sensible Firmendaten bis zu Regierungsstellen sämtliche gesellschaftliche Bereiche umfasst, sollte spätestens jetzt das Interesse der Zivilgesellschaft geweckt werden.

Dabei gibt es viele, mitunter sogar diplomatische Gründe für die kontrollierte Abrüstung im Spionagebereich: Gerade die Verantwortung aus dem Erbe zweier grauenvoller Weltkriege und der neu gewonnenen, internationalen Souveränität fordert von Deutschland eine stetig wachsende Rolle als Friedensstifter und Mittler in internationalen Konflikten.
Wenn durch die flächendeckende Überwachung bis in staatliche Organe hinein jegliche Vertraulichkeit ad absurdum geführt wird, können Verhandlungsdelegationen aus Deutschland kaum neutral zwischen Konfliktparteien verhandeln.
Gerade die Vereinigten Staaten haben in fast jeder Konfliktregion eigene Interessen und wissen diese durch geheimdienstliche Aktionen durchzusetzen.

Die  grundsätzliche Abwägung des Schutzes unserer Kommunikationsräume betrifft natürlich nicht nur die amerikanischen Lauschposten, denn die europäischen Dienste ihrerseits überwachen nicht nur ihre eigenen Bürger, sondern betreiben auch offene, innereuropäische Wirtschaftsspionage, wie der jüngste Leak aus Edward Snowdens Quellen belegt.
Was das für das Vertrauen in den europäischen Einigungsprozess bedeutet, ist klar – es leidet und deckt sich mit der politischen Verdrossenheit.

Es ist an der Zeit, dass sich der Protest der Bürger Europas bündelt, sich von Geheimdienststrukturen zu befreien. Es ist an der Zeit, eine digitale Friedensbewegung einzuläuten, die in der Abrüstung der Spionageapparate mündet.

So müssen die NSA-Mitarbeiter des Landes verwiesen werden, dem im zweiten Schritt die Abrüstung der eigenen Geheimdienste in Europa folgen muss. Erst das Verschrotten und der Abbau des nuklearen Arsenals führte zu einem neuen Frühling der Beziehungen zwischen den Ländern.
So käme ein radikaler Schnitt keiner nationalen Abschottung gleich, sondern würde sowohl die europäische Souveränität in der Welt als auch den europäischen Einigungsprozess stärken. Zwischen europäischen Regierungen, NGOs und Datenschützern ist längst eine klare Vorstellung von Datenschutz und digitaler Privatsphäre gewachsen, die wichtige Impulse für die weltweite Befriedung und das Kitten des Vertrauensbruches führen kann. Hier muss sich nun endlich auch Deutschland durchringen und die gemeinsamen europäischen Datenschutzrichtlinien auch gegen den Druck der eigenen wirtschaftlichen Akteure und Lobbyisten abschließen – im Sinne einer Abrüstung der Überwachungsbedrohung.

In konsequenter Verantwortung der neuen Aufgabe muss Deutschland Cyberwar- und Drohnen-Anschläge ächten, jegliche geheimdienstliche Beteiligung an Anschlägen offenlegen und die laxen Exportbedingungen für kriegsfähige Technologien um das Repertoire der Cyberwar- und Überwachungstechnologie erweitern und konsequent verschärfen. Sollte sich die Beteiligung des BND an Stuxnet bestätigen, so gilt es sogar über Wiedergutmachungen gegenüber geschädigten zivilen Anlagen nachzudenken.

Die schwer zu kontrollierende Verknüpfung von privatwirtschaftlichen Interessen und geheimdienstlicher Ausspäh-Maßnahmen muss in eine umfassende und europaweite Revision der Störerhaftung, der Bestandsdatenauskunft und der Vorratsdatenspeicherung münden. Nachrichtendienstliche Ermittlungen dürfen nur den Prinzipien der Open-Sources-Intelligence folgen und bedeuten eine grundsätzliche Abkehr von der systematischen Ausspähung der digitalen Privatsphäre und Kommunikation.

Doch auch das transatlantische Handelsabkommen TTIP muss ausgesetzt werden, denn gerade vielen Begehrlichkeiten amerikanischer IT-Konzerne können verdeckte Interessen der NSA kaschieren, die ja bekanntermaßen häufig auf betriebliches Outsourcing setzt. Darüber hinaus unterstützt dieser Druck auch die gerade wieder erwachte amerikanische Bürgerrechtsbewegung, die u.a. von anerkannten Systemkritikern wie Oliver Stone angeführt wird. Wenn dann noch Safe Harbour und Swift ausgesetzt werden, wird sich auch die amerikanische Wirtschaft aus Angst vor Verlusten gegen den Überwachungs-Wildwuchs stemmen.

Zu guter Letzt: Edward Snowden hat die neue Perestroika eingeleitet. Ihm gilt es Asyl zu gewähren – Ohne Wenn und Aber! Und wenn Whistleblowing keine Friedensbewegung ist, wie uns Chelsea Manning wissen ließ: Es befriedet jedoch unseren digitalen Lebensraum. Es ist Zeit für eine digitale Friedensbewegung, die mit der Abrüstung der Geheimdienste beginnt.

Filmkritik: Inside Wikileaks – Eine Ode an die Transparenz

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Dieser Film ist wichtig. Er ist es, weil sich breite gesellschaftliche Schichten für den digitalen Wandel, die Vernetzung der Welt und die Probleme der Informationsgesellschaft bisher kaum interessieren. Was unzählige Blogbeiträge, Essays, Interviews und Talkshows nicht vermochten, könnte der kurzweilige, streckenweise oberflächliche Popcorn Streifen zwischen Thriller, Nerdromanze, Biopic und digitalem Roadmovie endlich schaffen.

Auch wenn die lauen Einspielergebnisse in den USA nichts Gutes verheißen, sie sind sicher der amerikanischen „Imagepflege“ von Julian Assange und Wikileaks geschuldet – zu tief war die Demütigung der amerikanischen Nation durch die ungefilterte Veröffentlichung ihrer teilweise grotesken Cables und Botschaftsdepeschen. Intensiv arbeiten seit Jahren amerikanische Behörden an der Demontage und Diskreditierung von Julian Assange als sexsüchtiges und egomanes Monster, das man – wenn nicht hinter amerikanische Gitter – doch bereits in der ecuardorianischen Botschaft in Schach hält. Auch wenn die filmische Struktur und Erzähltechnik ihren Tribut fordert: Es ist erfrischend, dass sich der Film in vielen wichtigen Aspekten an die Vorlage von Daniel Domscheit-Berg hält.

Natürlich kratzt Inside Wikileaks nur an der Oberfläche und bleibt unscharf, wenn es um die tiefgreifende Wirkung der digitalen Revolution geht. Der Spagat gelingt jedoch immer dann, wenn die Bruchkanten von Autorität im Informationszeitalter umrissen werden. Staaten, die nach Lust und Laune jede Kommunikation belauschen können und jeden privaten Rückzugsraum als Bedrohung von Autorität und Souveränität argwöhnisch betrachten – das erahnt der Zuschauern in der chronischen Verschlüsselungspanik der Protagonisten und der Wahl anonymer, subkultureller Treffpunkte in Ost-Berlin. Im Tempo eines Roadmovies verknüpft er die Krisenherde der Welt und zeigt wie Regierungen krampfhaft ihre hegemonialen Interessen, Entscheidungen und strategischen Erwägungen vom Bürger abschirmen und in ein Schattennetz der Geheimdienste und des Militärs verlagern. Klassischer Journalismus prallt auf das neue, selbstbewusste Nachrichtenparadigma des Internets und spart auch nicht mit Kapitalismuskritik.

Während The Guardian und Spiegel Journalisten krampfhaft versuchen Schritt zu halten, verdichtet sich der Konflikt zwischen Daniel Domscheit-Berg als Doktor Faust gegenüber dem Mephisto Julian Assange in den alles umfassenden Fragen: Darf Transparenz und Informationsfreiheit den Quellenschutz vernachlässigen? Was bedeutet Anonymität im Zeitalter von Big Data? Welchen Wert hat nationale Gesetzgebung, Autorität und Rechtsdurchsetzung im Netz-Zeitalter?
Die Fragen, die der Film allenfalls an der Oberfläche stellt, erinnern die ungelösten Konflikte zwischen Datenschutz-Aluhüten und Post Privacy Adepten in der Piratenpartei. Nicht umsonst blitzt das Signet der Piratenpartei, aber auch das Logo der Pirate Bay auf T-Shirts und Notebooks immer wieder auf.

Das wären dann auch die kurzweiligen Momente des Films, der auch nicht vor dem häufigen Product-Placement der Club Mate Hackerbrause zurückschreckt. Anke Domscheit-Bergs berühmte Umhäkelungen, ihre roten Strumpfhosen, ein jugendlicher Assange am Commodore 64 und unzählige liebevolle Neckereien der verschrobenen Nerdwelt auf dem Chaos Computer Kongress erhöhen den Popcorn Faktor des Films.

Natürlich stört die überzeichnete Dämonisierung des Egomanen Assange ein wenig und die fast schon naive Darstellung eines unter Wert verkauften Daniel Domscheit-Bergs, der dann plötzlich im furiosen Ende als rasender und allein agierender Zerstörer der Wikileaks Infrastruktur durch das Set tobt.
Dennoch: Inside Wikileaks gehört als Zeitdokument an die Schulen. Dieser Film wird die Debatte um die NSA Ausspähung, Transparenz und Privatsphäre im Internetzeitalter endlich neu entfachen. Das alleine ist im netzpolitisch so desinteressierten Deutschland eine Empfehlung wert.

Es wird eng für die GEMA

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Musikverleger und die GEMA dürfen die Konsequenzen aus dem VG Wort Urteil fürchten.
Das Oberlandesgericht München hat das Urteil im Verfahren Vogel gegen VG Wort in zweiter Instanz bestätigt. Es untersagt der Verwertungsgesellschaft VG Wort die Auszahlung eines pauschalen Anteils der Urheberrechtslizenzen an die Verleger, sowie die Rückleistung der in den letzten 6 Jahren unrechtmässig ausgeschütteten Anteile.

Das Urteil hat auch besondere Tragweite für einen ähnlichen Rechtsstreit zwischen uns – meinem Bandkollegen Stefan und mir – gegen die GEMA, dessen Urteilsspruch für das erste Quartal 2014 erwartet wird. Wir klagen gegen die Beteiligung von Verlegern an den Erlösen aus urheberrechtlichen Vergütungsansprüchen, die von der GEMA eingesammelt werden.

So mag die Beteiligung von Buchverlegern auf Grund der hohen Risiken des Buchdrucks noch ein kleines bisschen nachvollziehbar sein, doch das Kerngeschäft der Musikverleger, der Notendruck ist heute eine zu vernachlässigende Ausnahme. Darüber hinaus gibt es auch noch die GVL, die mit dem Leistungsschutzrecht jene Tätigkeiten zu honorieren im Stande wäre.
Mag in früheren Zeiten dieser Investitionsschutz in die Beteiligung an Tantiemen der Urheber eingeflossen sein, so liegt dieser Geschäftsbereich heute fast ausschliesslich brach.
Eine Beteiligung von Verlegern an Tantiemen innerhalb der Verwertungsgesellschaften ist nicht nachvollziehbar und spiegelt die heutigen Verbreitungs- und Vermarktungswege, sowie die Beziehung zwischen Komponisten und Interpreten, die in den meisten Fällen in Personalunion auftreten, kaum wieder.

Die bis heute als Rechtfertigung für die starke Beteiligung der Verleger in den Verwertungsgesellschaften angeführte Symbiose zwischen Verlegern und Urhebern war schon immer fragwürdig, denn Verleger haben klar umrissene eigene Interessen, die sich in fast allen Fällen aus Ihren großen Repertoires ableiten und nur in Ausnahmen deckungsgleich mit denen einzelner Urheber sind.

Verleger kassieren im Verteilungsplan A der GEMA, der das Aufführungs- und Senderecht honoriert 33,3 % der Tantiemen und im Verteilungsplan B, der das mechanische Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht umfasst, sogar 40% der Eigentlich nur den Urheber zustehenden Tantiemen.

So verdient der Verlag somit weit mehr als der einzelne Urheber an den nur dem Urheber zustehenden Lizenzen, denn heutzutage entstehen musikalische Werke größtenteils in anteiliger Urheberschaft, wie bei den meisten Bands, die ihre Songs gemeinsam schreiben. Das bedeutet dann z.B. bei einer sechsköpfigen Band, die gemeinsam komponieren und texten, das jeder urhebende Musikant nur 10% erhält, während der Verlag 40% erwirtschaftet. Sofern es sich um die traditionelle Arbeitsteilung Komponist und Textdichter handelt, so verdient sogar hier jeder Urheber nur 30% und damit weniger als der Verlag.

Wer mit der Arbeit seines Verlages zufrieden ist, wird diesen auch unmittelbar aus den GEMA Erlösen beteiligen. Die Entscheidungsgewalt darüber muß aber endlich bei den Urhebern selbst liegen.

Diese Forderung ist auch in Hinblick auf den letzten Blogbeitrag “Tatort Sharing is Caring” und den Forderungen des Filmautoren Fred Breinersdorfer von besonderer Tragweite.

Erläuterung des Oberlandesgerichts

Tatort Sharing is Caring

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Was der Filmautor Fred Breinersdorfer als Vertreter der ehemals Säbel klirrenden fünfzig Tatort-Autoren in der aktuellen Ausgabe der Süddeutschen fordert, lässt nur zwei mögliche Schlüsse zu: Herr Breinersdorfer hat mit alten Filmfreunden ordentlich gezecht und ist im Rausch der Offenherzigkeit kurzzeitig zum Botschafter der freien Kultur mutiert, widerruft seinen Beitrag aber in Kürze. Oder aber es hat ein wirklicher Wandel vom Saulus zum Paulus statt gefunden, ein Umdenken und Verstehen des digitalen Wandels.

Ich habe Fred Breinersdorfer bereits auf einer Podiumsdiskussion kennenlernen dürfen – bin mir nicht mehr sicher, ob es sich um den Twittwoch, eine Runde bei der Filmakademie oder im Rahmen einer NDR Diskussion gehandelt hatte.- Zu diesem Zeitpunkt kamen wir uns inhaltlich kaum näher und umso beeindruckter bin ich von seinem Beitrag. Ich sehe seinen Vorstoß als einen wichtigen und konstruktiven Schritt, in der festgefahrenen Urheberrechtsdebatte endlich weiter zu kommen und habe ihn bereits per Mail zu einem offenen Dialog eingeladen.

Eines ist klar – das Fass, welches er aufgemacht hat, ist größer als die Diskussion um das Urheberrecht. Denn eigentlich ging es ja vor allem um eine Stellvertreterdiskussion. Das Urheberrecht war immer nur das Feigenblatt für betonierte Auswertungsmonopole, die ohne Rücksicht auf Verluste im Internetzeitalter durchgesetzt werden sollen.
So ist die von Herrn Breinersdorfer ins Felde geführte Coverversion bereits in der Abgrenzung zur Bearbeitung und zum Sampling ein Minenfeld. Wer covert, darf das, führt dafür eine Lizenz an den Urheber ab. Wer bearbeitet, also verändert, verliert im Verhandlungen mit Verlagen manchmal beides: Urheber- und Erlöslizenz. Wer Sampling betreibt, verwirkt durch das Urteil “Metal auf Metall II” alles. So wird schnell klar, die höchste Bewertung findet nicht der Urheber, sondern das Leistungsschutz- und Auswertungsrecht der Produzenten.

Und die werden laut schreien, wenn Herr Breinersdorfer mit dem Recht und Selbstverständnis eines Urhebers eine neue Schranke für die private und die gewerbliche Kopie und das Zweiverwertungsrecht von Autoren im Netz fordert. Nicht anderes bedeutet es, wenn Originalwerke frei im Netz zirkulieren dürfen. Und dass die Autoren und Schöpfer der Werke honoriert werden sollten, ist vollkommen unstrittig – auch in der Piratenpartei.

Fred Breinersdorfer hat mit seinem Vorstoß die Verwerterindustrie entwaffnet, ihnen das Weihwasser im Kampf gegen den freien Zugang zu Kultur genommen, denn er fordert Urheberrechte für die Urheber und nimmt dabei den Verwertern das Kernargument ihres Kreuzzuges gegen die Piraterie: Das Urheberrecht. Ihnen bleiben nur noch verlorene Investitionen und Renditeverluste. Werte, für die es in der Öffentlichkeit wenig Mitleid gibt, wenn Urheber wie Fred Breinersdorfer fordern: Schafft Angebote im Netz!

Dass er dabei vor allem die Stärkung von Urhebern und Schöpfern kleiner Nischenfilme im Auge hat, würdigt ihn umso mehr, denn diese sind letzten Endes die bisherigen Verlierer der neu geschaffenen und Stromlinigen Angebote im Netz.

Gegen den Sturm der Entrüstung der großen Verbände mag das Problem der Vergütung über Verwertungsgesellschaften noch relativ klein erscheinen. Sowohl die anteilig gerechte Vergütung als auch der Datenschutz in Zeiten des Dammbruchs von Überwachung sind ungelöste Fragestellungen im Internetzeitalter. Nicht umsonst fanden weder Kulturwertmark noch Kulturflatrate breite Zustimmung.

Kleinen Onlineradios und Nischensendern werden von Verwertungsgesellschaften wie der GEMA nur Pauschalmodelle angeboten. Diese Gebühren werden dann vor allem den Inhabern großer Werkrepertoires ausgeschüttet. Das würde wahrscheinlich auch den von Breinersdorfer vorgeschlagenen Nischenshops zwischen Fim Noir und Dokumentarfilm blühen.
Gegen die Reform der Verteilung pauschalisierter Vergütungen stemmen sich trotz eindeutiger Urteile auf EU Ebene die Verwertungsgesellschaften mit aller Kraft. Zuletzt mit dem Argument, dass es technologisch nicht machbar sein, jeden Play einzeln zu vergüten.
Die Frage des Datenschutzes, der Anonymität von Nutzern und der Überwachung von transferierten Inhalten stellt dabei noch größere Hürden für Klick-basierte Honorierung dar.

Aber darüber werden wir einfach mal reden.

Foto:Foto von 1Holsteiner2, CC-BY-SA-3.0

Was ist TAFTA/TTIP?


Es geht um nicht weniger als das Entstehen der größten, bilateralen Freihandelszone der Welt:
Die Verhandlung des Freihandelsabkommens TAFTA / TTIP zwischen den USA und Europa geschieht abseits und ohne jede Beteiligung der Bürger Europas, der USA und ihrer Parlamente.
Die Zustimmung der nicht in die Verhandlungen einbezogenen Parlamente ist nur Formsache.

In der großen Regierungskoalition des deutschen Bundestages wird sich kaum Widerspruch regen, denn die Kanzlerin hat gemeinsam mit dem amerikanischen Präsidenten den Freihandel zur Chefsache gemacht. Mit TTIP soll die weltweite Dominanz der globalen Märkte durch die USA und Europa gegenüber neuen Wettbewerbern wie Russland und Asien gefestigt werden. Bereits heute erreicht das globale Bruttoinlandsprodukt unserer beiden Wirtschaftsräume fast die Hälfte der weltweiten Märkte. So stellt TTIP eine Abkehr von der Idee global offener Märkte für Industrie, Entwicklungs- und Schwellenländer dar, wie sie die Doha-Runde beabsichtigte.

Die Befürworter des Handelsabkommens werben mit vermeintlichen Wachstumszahlen, Zölleabbau und neuen Arbeitsplätzen. Bei genauerer Betrachtung ist das Wachstum jedoch vor allem im Niedriglohnsektor zu erwarten, der nur zu weiteren Belastungen des öffentlichen Haushaltes durch Transferleistungen führt. So haben ähnliche, bestehende Freihandelsabkommen wie z.B. das NAFTA (USA, Mexico, Kanada) Abkommen zu sinkenden Löhnen, Unterlaufen von Arbeitnehmermindeststandards und wachsenden Einkommensunterschieden geführt. Europas Arbeitnehmer leiden bereits heute unter den Folgen schwacher Sozialstandards im liberalisierten Binnenmarkt.

Und auch die Zölle befinden sich mit gerade mal 3% bereits auf einem historischen Tiefpunkt.
Im Gegensatz dazu bedeutet TTIP den weiteren Verlust von demokratischer Kontrolle und Legitimation der Gesellschaft gegenüber Konzernen und Handelsverbänden. Die daraus entstehenden Nachteile für die Lebensqualität und den Schutz der Menschen in Europa und USA sind schwer abzuschätzen. Sie betreffen nicht nur schwindende ökologische und soziale Standards, den Abbau des Verbraucherschutzes und den weiteren Abbau von Kontrollen des Finanzmarktes, sondern auch neue Gestaltungsmöglichkeiten, internationale „Harmonisierungen“ gegenüber gewachsenen demokratischen Strukturen durchzusetzen.

Dabei ist die große Wirtschaftskrise Europas und der USA gerade den unkontrollierten und enthemmten Märkten geschuldet. Die Ausbeutung des Menschen und seiner Umwelt ist heute auf einem Höhepunkt. Das elitäre Denken, das Konkurrenz, Liberalisierung der Märkte, Wachstum und eingehegter Zugang der einzige Ausweg aus dem Dilemma der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Krise wäre, ist herrschender Tenor der TTIP Verhandlungen.

Besonders tiefgreifende Kernpunkte von TTIP:
Der Investitionsschutz ermöglicht die privilegierte Klage vor einem internationalen Schiedsgericht gegen regionale Gesetzgebungen und Normen. So können Konzerne aus Wettbewerbsgründen gegen z.B. Mindestlöhne, Mieterschutz, Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz, gewerkschaftlichen Einfluss, Subventionen für regionale Kulturmärkte und Gemeingüterregelungen klagen.
Die sozialen und ökologischen Standards des öffentlichen Beschaffungswesens könnten durch TTIP aufgeweicht werden.
Eine stärkere Durchsetzung von Immaterialgüterrechten kann den Zugang zu Wissen, Kultur und Informationen noch stärker reglementieren und zu erweiterten Schadensersatzforderungen führen. Kontrollsoftware, Rootkits, Trojaner und Schnüffelprogramme, wie sie von der amerikanischen “Comission on the Theft of American Intellectual Property“ gefordert wurden, würden auch Nutzer in Europa bedrohen.

Die Privatisierung der Daseinsvorsorge, also Wasser, Bildung, Wohnung, Gesundheit kann zu sinkender Qualität und höheren Preisen führen.
Der Verbraucherschutz wird durch das Senken auf die jeweils geltenden niedrigsten Standards zu einem gegenseitigen Unterlaufen von Schutzmechanismen führen. Die landwirtschaftliche Diversität und Kleinteiligkeit verliert dadurch gegenüber der höheren Wettbewerbsfähigkeit der Agraridustrie.
Statt geheimen Verhandlungen gilt es endlich umfängliche Informationsfreiheit und Transparenz zu gewährleisten. Eine breite öffentliche Diskussion und ein soziales Verhandlungsmandat muss die intransparente Tradition von TRIPS, ACTA und TPP aufbrechen. Sämtliche Dokumente der Verhandlungen müssen öffentlich einsehbar sein. Das privilegierte Klagerecht für Konzerne und die Investor-Staats-Schiedsgerichtsbarkeit muß einer grundlegenden Rechtsstaatlichkeit weichen und sich dem Schutz der demokratischen Bürgerrechte und den regionalen Umwelt- und Sozialgesetzgebungen unterordnen. Die UNESCO Konvention zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen darf nicht durch restriktive Forderungen von Unterhaltungsindustrien geschwächt werden. Die Förderung internationaler Solidarität und Kooperation ist ein tragfähiger Gegenentwurf zu Konfrontation, Ausgrenzung und Wettbewerb der bisherigen Handelsabkommen.


Videotranskript:

Die globale Vernetzung hat ein rasendes Tempo aufgenommen und verbindet alle Teile der Welt miteinander. Grenzen verschwinden, Wissen und Kultur zirkulieren im Internet.

Seit Jahrzehnten regulieren Handelsabkommen die globale Märkte. Bisher sind sie alle unter Ausschluss der Öffentlichkeit von großen Konzernen verabschiedet worden. Das hat immer zu neuen Regeln und Sanktionen geführt. Menschen werden in ihrer Freiheit beschränkt oder sogar von der Teilhabe ausgeschlossen. Im Gegenzug wurden die Rechte von Konzernen und Handelsverbänden gestärkt. Häufig auch zum Nachteil der Gesellschaften und ihrer regionalen Märkte.

Momentan wird das Freihandelsabkommen TAFTA verhandelt. Es bezieht nur die Märkte in den Grenzen Nordamerikas und Europas ein und schliesst den Rest der Welt davon aus. TAFTA entsteht hinter verschlossenen Türen und bietet keinerlei demokratisches Mitspracherecht der Bürger, die es betrifft. Und da es abseits der Öffentlichkeit ausgehandelt wird, fallen die Forderungen von Konzernen entsprechend einseitig aus.
So könnten durch TAFTA verschiedenste Nachteile für unsere Gesellschaft entstehen. Z.B könnten plötzlich Wachstumshormone in der bisher so streng kontrollierten Milch erlaubt werden. Chlorhühnchen, Klonfleisch und Genfood könnten ohne jede Kontrolle auf die Verbrauchermärkte Europas drängen. Konzerne können sich sogar über Gesetze hinwegsetzen und Staaten verklagen, weil ihr Geschäft von den regionalen Gepflogenheiten bedroht sein könnte. So wäre z.B. auch der Schutz von Arbeitnehmerrechten in Europa in Gefahr, Kennzeichnungspflichten könnten verschwinden und Urheberrechte im Internet noch viel härter durchgesetzt werden.

Findest Du nicht auch, dass es Zeit wird, endlich mehr Mitbestimmung einzufordern? Findest Du nicht auch, dass alle Menschen ein Recht darauf haben, die Regeln des Freihandels mit zu bestimmen?
Erhebe Deine Stimme gegen ein unkontrolliertes und intransparentes Freihandelsabkommen.