Die Gema deutet Youtubeclips neu
Zwei kleine Befehle sollen über eine Lizenzgebühr oder die kostenfreie Nutzung entscheiden. So der neueste Vorstoß der GEMA im Kampf um die Deutungshoheit von Urheberrechtsabgaben im Internet – die Wirkung wäre fatal. Musikpromoter würden eines der wichtigsten viralen Werkzeuge verlieren: Die digitale Streetpromotion, das Netzgeflüster in den sozialen Netzwerken, das immer häufiger über Erfolg oder Flop entscheidet.
Blogs, Facebookseiten und sonstige private Webseiten würden ein kostspieliges Hobby, während die GEMA noch zusätzlich zu den bei Youtube geltend gemachten Ansprüchen abkassieren könnte.
Sttreng genommen betrifft das nicht nur Youtube Videos, wie häufig in den Medien dargestellt, sondern jede Art des Streamings von audiovisuellen Medien aus dem Netz. Neben dem Branchenriesen Youtube gibt es Vimeo, Soundcloud, Clipfish und viele andere, deren Inhalte betroffen sein könnten. Trotzdem wollen wir uns zuerst einmal auch Youtube beschränken.
Kleiner Unterschied, große Wirkung
Der Unterschied zwischen den beiden Internet Befehlen „HREF=“ und „SRC=“ stellt sich so dar: Während der erste in den meisten Fällen als Textlink zu einem Youtubeclip dargestellt wird, der dann durch den Klick direkt auf das Angebot von Youtube führt, wird mit dem Zweiten das Video in einem integrierten Fenster auf der Seite oder auf dem Facebookprofil des Nutzers eingebettet. Dieses Einbetten von Medien bedeutet in der Art des Aufrufs bei Youtube keinen wirklichen Unterschied. Es ist so, als würde ich die aktuelle Tageszeitung auf ein Rockkonzert mitnehmen, ein Fenster hinein schneiden und das Konzert durch diese Öffnung verfolgen. In beiden Fällen sehe ich das Konzert. In beiden Fällen überträgt Youtube das Video zum Nutzer, samt den Werbeeinblendungen und Bannern. In beiden Fällen muss die GEMA bereits einen Mindestbetrag von Youtube erhalten, über dessen finale Höhe zwar noch immer keine einvernehmliche Einigung erzielt wurde, die jetzt aber vor einem Schiedsgericht verhandelt wird. In beiden Fällen behält Youtube und der Anbieter, der das Video auf die Videoplattform geladen hatte die Hoheit über das Video, seine Monetarisierung, Untertitel, Texteinblendungen, Links und das Löschen oder Privatstellen.
Und: In beiden Fällen hat der kundige Nutzer, der einen Link auf seiner Facebookseite teilt oder auf seinem WordPressblog veröffentlicht, keine wirkliche Wahl. Der kostenfreie „HREF=“ Link wird dort automatisch in einen eingebetteten Videoplayer umgewandelt und würde dann nach der Logik der GEMA lizenzpflichtig werden.
Auf der Internetseite der GEMA rudert man bereits ein wenig zurück und möchte jetzt erst einmal das Urteil des EUGH zu eingebetteten Links abwarten. Dennoch, die Logik des GEMA Tarifs der sogenannten Kabelweiterleitung erinnert an die unzähligen anderen Versuche, Geschäftsmodelle der Offlinewelt 1:1 auf die Onlinewelt zu übertragen.
Wie könnte das funktionieren?
Will die GEMA jetzt, ähnlich wie sie es in der Offlinewelt tut, Spione aussenden, die akribisch darüber wachen, wo Musik aufgeführt, vervielfältigt oder übertragen wird? Auch Youtube könnte theoretisch diese Verbindungsdaten übermitteln. Sie hat ja die Informationen von welcher Internetseite aus das jeweilige Video angesurft wurde.
Sollte die GEMA eine Einzelverrechnung vorziehen, müsste sie die althergebrachte umgekehrte Beweislast samt GEMA Vermutung bei den Nutzern durchsetzen. Das bedeutet dann für den Blogger, die jeweilige Autorenschaft der Musik im eingebetteten Videos nachweisen zu müssen.
Wie mühsam das Ringen mit der GEMA ist, die Nichtmitgliedschaft von Autoren für die Lizenzierung von Tonträgern nachzuweisen, davon können Labelbetreiber ein Lied singen. Die GEMA lässt keine Pseudonyme zu und fordert Lizenzen, sobald eine namentliche Verwechslung mit einem eingetragenen GEMA Mitglied nicht ausgeschlossen werden kann.
Die Urheber der Hintergrundmusik von Urlaubsdokus, Anleitungsvideos, Tutorials und Fernkursen nachzuweisen, ist wohl keinem Nutzer zumutbar.
Sollte die GEMA dagegen auf Pauschalabgaben setzen, würde wohl jeder Facebooknutzer, Tumblr- oder WordPress-Blogger je nach Popularität einen Flatrate-Betrag entrichten. Bedenkt man den rasend wachsenden Anteil von Komponisten die gar keine Mitglieder der Verwertungsgesellschaft sind, wird schnell klar in welchem Umfang die GEMA Beträge einsammeln könnte, die ihr gar nicht zustehen.
Das tut sie heute übrigens schon in sehr vielen Bereichen. Die geschätzten Beträge gehen samt der ZPÜ Abgabe in die mehrstelligen Millionen. Jahr für Jahr.
Über die Höhe einer Abgabe für eingebettete Medien kann man nur spekulieren. Ursprünglcih forderte die GEMA von Youtube eine Lizenz für die Nutzung von 0,12 cnt je Stream. Mittlerweile hat sich das gut zwei Stellen hinter dem Komma verschoben. Diese Beträge sind aber unabhängig von den Werbeeinnahmen, die zusätzlich bei Youtube durch den Einsteller generiert werden können.
Eine Pauschale könnte sich z.B. an den Tarifen für Onlineradios festmachen. Ein privates Onlineradio zahlt pro Jahr zwischen 900.- bis 2000.- Euro, bei circa 30.- Euro je 2500 Hörer im Monat. Nicht vergessen sollte man die noch weit höhere Forderung der Gesellschaft für Leistungsschutzrechte (GVL), die ihre Lizenzen durch die GEMA einsammeln lässt.
Worum es eigentlich geht
Es ist der Kampf um die Deutungshoheit zwischen den klassischen Verwertungsgesellschaften und der Netzszene um die Interpretation von Codes, Nutzungsarten und gesetzliche Urheberrechtsabgaben. Die Unterscheidungen werden dabei für den Nutzer immer unübersichtlicher. Die Trennschärfe zwischen kommerzieller und nicht kommerzieller, territorialen Grenzen und der Art der Einbettung eines Videos hat zuletzt beim Leistungsschutzrecht versagt. Die klassischen Verwertungsgesellschaften sehen jetzt die einmalige Chance das Netz zu filetieren und jede heute noch freie Form der kreativen Nutzung von Medien zu monetarisieren.
Und dieser legale Raubzug bekommt eine europäische Dimension. So positiv die neue EU Richtlinie zur kollektiven Rechtewahrnehmung ausfällt, die Tücke liegt im Detail. Für neue Musikdienste soll es im Netz jetzt schneller und einfacher werden, die Online-Rechte europaweit zu lizensieren. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die größte der europäischen Verwertungsgesellschaften auch bei Nutzern in ganz Europa abkassieren könnte. Harmonisierung Galore!
Tl; dr – Die GEMA Eintreiber bleiben dem überlieferten Leitspruch ihres alten Vorsitzenden Kreile treu: Die GEMA, der „Fels in der Brandung der Wogen der Digitalisierung.“ – Das Internet dagegen „nichts anderes als ein virtuelles Kaufhaus”