Rede auf IDP14 Demo, Berlin – Eine digitale Friedensbewegung

idp14
Als Kafka seinen Prozess vor 100 Jahren schrieb war das Internet nicht einmal
vorstellbar. Dennoch findet man darin erschreckende Parallelen zum Jetzt.
Ein Mensch wird in die Enge gedrängt, die Verfolgung und Vorverurteilung machen ihn mürbe. Die Verunsicherung und der Verlust an Vertrauen treibt ihn in die Enge. Bis in sein bitteres Ende.
Wir sind aus einem Traum erwacht und die Realität ist kafkaesk.
Unser Traum war die grenzenlose digitale Welt, die uns frei und geschützt alle Möglichkeiten der Entfaltung versprach. Ich hab bis vor kurzem selbst diesen Traum vom Teilen des Wissens, der Erfahrungen und der Lebenswelten geträumt. Das war leider eine Vision.Sie ist gestorben.

Der Sturz in die Realität war hart und schmerzhaft. Die Leaks von Snowden haben die unvorstellbare Fratze der Totalüberwachung demaskiert. Ihre Namen Prism, Tempora uva haben im letzten halben Jahr einen Abgrund aufgerissen, der vor uns klafft.
In einem Umfang den die kühnsten Aluhüte nicht in ihren wirrsten Alpträumen erdacht hätten.
Ist es nun wirklich so wie Lobo meinte? Unser Netz ist tot.
Ist es wirklich so? Das Netz war von Anfang an militärisch, das Arpa und Darpa Netz, zu dem die Überwachung gehört?
Ist es wirklich so, wie der kommende NSA Chef meint: Der nächste Krieg wird mit den Waffen der Informationsgesellschaft im Netz geführt?

Wir leben in einer Welt in der minutiös alle Bewegungen aufgezeichnet werden.
Unserer Telefonate, SMS, unsere Router werden genauso belauscht wie sämtliche Mails und Aktivitäten in Social Networks. Unsere Gesundheitsdaten, die Kommunikation mit Anwälten ja sogar die Pressefreiheit ist betroffen. Wer mit Informanten spricht kann keinen Quellenschutz garantieren. Vertrauen stirbt. Und wir können uns nicht vor der Kombination dieser Daten schützen die aus uns einen bedrohlichen digitalen Doppelgänger erschaffen, einen Golem der eine Bedrohung für die Gesellschaft ist.
Was passiert eigentlich in der nahen Zukunft, wenn das neue Amazon Patent funktioniert und bereits bevor wir eine Bestellung abschicken, den Versand auf Grund von Big Data Statistik auslöst. Wenn Google Glasses überall Personen erkennen, wenn all diese Daten zusammengefasst werden.

Die Rechtfertigung, Bürger vor Terrorismus zu schützen, ist schon lange in sich zusammengebrochen. Der moderne Terrorismus ist die Datenspionage der Geheimdienste. Sie vergiftet unser tägliches Leben, schleichend, sie macht misstrauisch und zerstört Vertrauen in die offene Gesellschaft, die die Bürger wollten. Sie frisst die Freiheit auf.

Zur Zeit weilt der amerikanische Vizepräsident Kerry in München.
Er macht Stimmung für das Freihandelsabkommen, relativiert die NSA Überwachung.
Unsere Kanzlerin bleibt die brave, unkritische Vasallin: Stellt weder TTIP in Frage,
noch die NSA Überwachung. Es war klar, dass es kein No Spy Abkommen geben wird. Es hätte auch keine Bedeutung gehabt, denn wenn
die 5 Eyes ihre Bürger gegenseitig ausspähen und diese Informationen teilen, bringt das gar nichts. Und wenn, wie kürzlich von Snowden enthüllt, sogar Firmengeheimnisse weitergegeben werden, wird ein Freihandelsabkommen noch furchteinflössender. Diese Spionage in Kombination mit einem Investoren Schutz und privilegiertem Klagerecht für Konzerne höhlt jede Demokratie bis auf die Grundfeste aus. Wenn Verbraucherschutz hinter Konzerninteressen verschwindet und der Datenschutz – so wie von EU Komissarin Reding verkündet – aus den Verhandlungen verschwinden soll, weil er ja eh nur behindert, dann entsteht ein neues Bild: Die Totalüberwachung eines ganzen Planeten.
Wenn Deutschland so souverän ist, wie es gerade in München behauptet wird, so müssen wir auch in der Lage sein, die Spähstationen der NSA hierzulande zu schließen.
Wir könnten ja zusammen einen kleinen Abstecher zur NSA machen und schaun, was so alles an Antennen abzureißen wäre.
Aber nein, es ist kein amerikanisches Problem, hier hilft kein Schengen Netz und kein Schlandnetz – wir müssen die Menschenrechte umfänglich auf das globale Netz erweitern.
Wir müssen bei uns selbst anfangen und Geheimdienste abschaffen. Wir müssen die Verhandlungen des Freihandelsabkommens TTIP beenden, bis der Schutz der Privatsphäre fest verankert ist.
Wir müssen die Mitarbeit Deutschlands an anonymen Drohnenexekutionen beenden. Es klebt Blut an den Händen unserer Geheimdienste und wenn wir nicht dagegen protestieren, auch an unseren.
Wir müssen begreifen, das ein freies Netz eine Revolution der bestehenden Herrschaftssysteme bedeutet. Das ist der eigentliche Grund der Überwachung.

Es ist die Angst der herrschenden Klasse, die Bürger könnten eine neue Form der Beteiligung an demokratischen Entscheidungen fordern.
Es ist die Angst vor dem Fallen nationaler Grenzen, denn das Netz hat keine Grenzen.
Es ist die Angst vor dem Verlust von Monopolen und Macht.

Es gab eine Zeit der Aufrüstung, des Wettlaufs der Systeme,
der kalte Krieg, Fronten und Grenzen schienen unüberwindbar. Der Konflikt war unsausweichlich. Ich kann mich so gut an die Angst in meiner Jugend vor dem Krieg erinnern – als es so aussah, dass ein atomarer Weltkrieg auf unserem Boden stattfinden könnte.

Doch eine Friedenbewegung besiegte die kalten Krieger, die Perestroika
veränderte die Welt. Die Mauer fiel.

Eine Friedensbewegung wird auch heute gebraucht. Sie muss digital sein.
Sie schützt die Freiheit der Kommunikation. Sie schützt vor Ausspähung und digitalen Doppelgängern. Wir brauchen eine Spionage Abrüstung.

Wir müssen den kalten Krieg im Netz überwinden. Für die Freiheit.
Der Kampf um das Netz hat längst begonnen, lasst uns die digitale Friedensbewegung sein.

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