Echte Meinungsfreiheit und die Demut vor der Vielfalt


Gedanken zur Abmahnung der Nuklearia wegen eines Flyers

Als erste und bisher einzige Partei sind wir bemüht, einen fundamentalen und grundsätzlichen Meinungspluralismus zu leben und umfänglich zu fördern, der uns manchmal an die Grenze der individuellen Belastbarkeit führt, aber als Teil unserer Vision einer neuen partizipativen Demokratie alle Menschen, auch die mit Minderheitsmeinungen mitnimmt.

Journalisten, die sich noch nicht auf diese neue Generation der politischen Kultur eingestellt haben, missbrauchen häufig unsere basisdemokratische Transparenz und Offenheit, in dem sie durch selektive Berichterstattung Minderheitsmeinungen ein besonderes, ja sogar pseudo grundsätzliches Gewicht verleihen. Das verlangt von uns allen Gelassenheit aber auch das unerschütterliche Vertrauen in die grundsätzlichen Ideale unserer Partei.

Die wahre Nagelprobe unseres selbst verpflichteten Pluralismus findet jedoch intern statt. Sie fordert eine stetige Korrektur und selbstkritische Analyse unseres eigenen Verhaltens gegenüber Minderheiten und Mehrheiten.
Das betrifft einerseits die Vertreter gefasster Beschlüsse, die Angesichts der Durchsetzung der eigenen Positionen die Meinung der Minderheiten zu achten haben und ihnen den Platz zur Darstellung nicht versagen dürfen.
Ebenso betrifft dies die Vertreter von Minderheitsmeinungen, denen eine besondere Sensibilität obliegt, wenn sie ihrem Recht nach freier Meinungsäusserung innerhalb und ausserhalb der Partei nachgehen, denn diese Freiheit bedeutet auch Verantwortung für das Wohl der gesamten Partei. Noch tiefgreifender ist die Gefahr, durch die ständige Selbstreflexion formaler Argumente die eigentliche inhaltliche Debatte zu vernachlässigen, dabei als beliebig wahrgenommen zu werden und aus Angst vor daraus folgenden internen Debatten wesentliche Elemente des libertären Weltbildes zu vernachlässigen.

In diesem Spannungsfeld gilt es diese Abmahnung zu betrachten. Die Vorstandschaft einer Gliederung muss das Recht haben, eine entsprechende Kennzeichnung der Darstellung von Minderheitsmeinungen, die den Eindruck allgemeingültiger Parteiaussagen vermitteln, zu fordern. Sollten die Verfasser dieser Forderung nicht nachkommen, so stehen der Gliederung
verschiedene Ordnungsmaßnahmen zur Verfügung und sei es final vor einem Schiedsgericht. Eine Abmahnung ist dem gegenüber sicher das denkbar unpassendste Mittel, auch wenn sie wie im aktuellen Fall von vornherein keinerlei rechtsverbindliche Wirkung gehabt hätte. Die Aussenwirkung von Abmahnungen als innerparteiliches Mittel der Piratenpartei mag fatal wirken –
Die Innenwirkung dürfte den harmonischen Umgang zwischen Mehrheiten und Minderheiten schwer beschädigen. Darüber hinaus verbinden viele Piraten mit dem Begriff Abmahnung ein restriktives Rechtsmittel der Contentindustrien. Ich hoffe daher auf die Zurücknahme der Abmahnung und die sachliche Klärung des Nuklearia Flyers in einem offenen Diskurs.

Dennoch ist für mich wesentlich: Die Meinungen und Positionen der Nuklearia sind mir zutiefst zuwider, denn sie repräsentieren einen blinden und kritiklosen Technikglauben an eine technologische Einbahnstrasse des letzten Jahrhunderts. Das Erbe des atomaren Zeitalters werden noch viele Generationen nach uns tragen. Die Hommage der AG Nuklearia an die schnellen Brüter Reaktoren ist der Höhepunkt der Selbstüberschätzung menschlicher Kontrollfähigkeiten und der Ignoranz gegenüber den letalen Folgen für Mensch, Natur und Umwelt durch eine Havarie oder einen Super GAU. Die schnellen Brüter nutzen nicht nur die höchste Anreicherungsdichte des giftigsten Stoffes, den die Welt kennt – Plutonium. Bei einer Kernschmelze, die sich bei schnellen Brütern noch weniger herunterregeln lässt, als bei Siedewasserreaktoren, wäre eine flächendeckende Kontaminierung in einem kleinen Land wie Deutschland ein sicheres Todesurteil.

Zu guter letzt: Die kindliche Technikverliebheit ohne Folgenabschätzung der Nuklearia wird in dem naiven Gleichnis einer Scheibe Brot und atomarer Brennstäbe mehr als offensichtlich.

Die Ablehnung der Kernkraft, der schnellstmögliche Ausstieg aus der Kernenergie und die nachhaltige Nutzung endlicher und regenerativer Energiequellen hingegen ist eine substanzielle Forderung piratiger Umweltpolitik. Dafür bin ich dankbar.

P.S: Kleiner Tip für Mitglieder anderer Parteien, die uns Rückgradlosigkeit und Positionsbeliebigkeit vorwerfen: Demut vor der Vielfalt und das vorbehaltslose Lauschen zwischen den Positionen ist der Schlüssel zu wahrer Erkenntnis und echter Meinungsfreiheit.

http://wiki.piratenpartei.de/AG_Umwelt/Programm#Atomausstieg

http://wiki.piratenpartei.de/AntiAtomPiraten
http://wiki.piratenpartei.de/AG_Ausstiegskritische_Nuklearia

6 thoughts on “Echte Meinungsfreiheit und die Demut vor der Vielfalt

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  2. “Die kindliche Technikverliebheit ohne Folgenabschätzung der Nuklearia wird in dem naiven Gleichnis einer Scheibe Brot und atomarer Brennstäbe mehr als offensichtlich.”

    Eine solch übermäßige Naivität liegt auch den ständigen Vergleichen des Internets mit dem Straßenverkehr zu Grunde. Denn eine Vorratsdatenspeicherung und Deep Packet Inspection ist nicht mit einer Radarfalle zu vergleichen, sondern eher damit, dass die Post Videokameras an allen Briefkästen befestigt, um den Absender zu Ermitteln, und jeden Brief aufreist und den Inhalt kontrolliert.

    “Der schnellstmögliche Ausstieg aus der Kernenergie und der Austausch durch regenerative Energiequellen hingegen ist eine substanzielle Forderung piratiger Umweltpolitik.”

    Vorsicht, wir Piraten sind nur für die Nutzung regenerativer Energiequellen soweit keine anderen Umweltziele übermäßig davon negativ beeinflusst werden, was bei regenerativen/nachwachsenden Energiequellen leider fast immer der Fall ist (Nahrungsmittelverknappung/ Verknappung fruchtbarer Böden, Regenwaldrodungen, fortschreitende Desertifikation durch Monokulturenanbau).

    Aus diesem Grund setzen wir in großem Umfang auf generative Energiequellen (Wind, Sonne, Wasser, Geothermie) und einem dafür notwendigen umfangreichen Speichersystem: http://wiki.piratenpartei.de/Parteiprogramm#Energiepolitik

    Danebod hat es im NRW-Landtag auch nochmal gut erklärt: http://www.youtube.com/watch?v=EqOCa4atZno (so ab 5:30min)

    Viele Grüße
    René

  3. Bezahlen diese Lobbyisten wenigstens ihren Mitgliedsbeitrag? ;>

    Dieses leidige Thema Atomenergie liesse sich doch ganz leicht nach marktwirtschaftlichen Prinzipien lösen: Grundsätzlich ist jeder Reaktor erlaubt, nur muss das Risiko vom Betreiber voll abgesichert werden und zwar jeweils mindestens auf die ersten 20.000 Jahre im Voraus.

    Unter dieser gesetzlichen Vorgabe hätten sich alle feuchten Meilerträume sofort erledigt und zwar ohne Zwang oder Verbot – einfach nur gleiches Recht für alle in sozialer Marktwirtschaft.

  4. Ich finde die Abmahnung ebenso aus vielen verschiedenen Gründen sehr falsch und sehr krank. Dabei bin ich allerdings der persönlichen Überzeugung, daß diese kranke Aktion die direkte Folge davon war, daß vom Vorstand schnell und deutlich ein “Der Scheiß interessiert uns nicht, macht das untereinander aus” kam, nachdem dieser korrekt und frühzeitig in die Problematik involviert wurde.

    Ausformuliert hat Klaus Peukert diese Haltung hier: http://tarzun.de/archives/474-Klassensprecher,-tu-doch-was!.html

    Es gibt hier in meinen Augen keinen Grund, sich zu wundern, warum ein Thema aus dem Ruder läuft, wenn man zuvor das Steuerrad zerschlägt.

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